Eine ganz neue Sicht: Auch bei der Gebäudereinigung versprechen sich Unternehmen ein Einsparpotenzial. Foto: dpa

Die Industrievereinigung Fellbach wirbt bei ihren Mitgliedern für ein aus Frankreich importiertes Beschaffungs-Bündnis. Mit der Geschäftsidee könnten die Firmen ihre Kosten drücken.

Fellbach - Mit dem gemeinsamen Einkauf von Energie hat die Fellbacher Wirtschaft schon gute Erfahrungen gemacht – und bei einem von der Industrie-vereinigung IVF mit den Stadtwerken ausgehandelten Stromdeal ihren annähernd 90 Mitgliedsbetrieben als durchaus attraktiv geltende Konditionen gesichert.

Jetzt könnte sich von Fellbach aus auch eine Geschäftsidee ausbreiten, die vor allem kleinen und mittelgroßen Unternehmen durch eine zentrale Material-beschaffung echte Kostenvorteile bieten soll. Gedacht ist an Produkte vom Kopierpapier über die Arbeitskleidung bis zur Gebäudereinigung,. Auch bei Büromöbeln, Telefonsystemen und dem firmeneigenen Fuhrpark könnte durch einen gemeinsamen Einkauf der Rotstift angesetzt werden.

In Frankreich hat ein Beschaffungs-Bündnis stetigen Zulauf

„Wir sehen ein deutliches Einsparpotential“, schwärmte Georg Heringer bei der Mitgliederversammlung der Industrievereinigung Fellbach von dem in Frankreich offenbar seit Jahren erfolgreich laufenden Konzept. Der aus dem Kreis Böblingen stammende Rechtsanwalt, beruflich in Berlin zu finden, hatte am Montag die Chance erhalten, den lokalen Firmenchefs sein Modell für einen gut vernetzten Einkaufsdienstleister zu präsentieren.

„Was die Franzosen können, können wir doch schon lange. Ich verspreche mir etwas von dieser Idee“, erklärte Johannes Maier, Geschäftsführer des Fellbacher Spannwerkzeug-Herstellers AMF und erster Vorsitzender der Industrievereinigung, die Einladung des Firmenmanns. Jurist Georg Heringer ist als Referent schließlich kein neutraler Ratgeber. Der auf internationales Wirtschaftsrecht spezialisierte Berliner ist von der in Lyon sitzenden PME-Centrale engagiert, sich um die Einführung der Firmenidee auf dem deutschen Markt zu kümmern. Der Termin in Fellbach war der bundesweit erste Auftritt mit dem Konzept, als Startpunkt für die ersten Versuchsballons hat sich Geschäftsentwickler Heringer die wirtschaftsstarke Region Stuttgart ausgesucht.

Im Nachbarland Frankreich befindet sich die Muttergesellschaft mit dem 2001 entwickelten Modell des Beschaffungsbunds auf einem stetigen Wachstumskurs. Gut 6000 Mitgliedsbetriebe mit insgesamt 90 000 Beschäftigten vertrauen sich nach Darstellung von Georg Heringer mittlerweile den Einkaufsspezialisten der PME an, das Umsatzvolumen des Beschaffungsdienstleisters ist laut Firmenangaben auf 75 Millionen Euro geschnellt.

Bessere Konditionen für einen Zentraleinkauf

Wie die Firmen profitieren können, rechnete Heringer mit Beispielen aus dem Bürobedarf vor: Weil ein Zentraleinkauf durch seine Marktmacht bessere Konditionen erhalte, koste beispielsweise ein Markierungsstift statt 1,60 über PME nur 1,39 Euro, eine Zehnerrolle mit Klebeband sei für 1,98 statt für 2,49 Euro zu haben. Ein Mietwagen koste eine Firma statt 61 nur 49 Euro pro Tag, bei Kopierpapier mache selbst ein Preisunterschied in der dritten Stelle hinterm Komma aufs Jahr gerechnet einen vier- bis fünfstelligen Differenzbetrag aus. „Im Schnitt kommen wir bei neu angemeldeten Mitgliedern auf ein Einsparpotential von 27 Prozent“, warb Heringer für das Modell. Bei Bürobedarf können Firmen teilweise auf 35 Prozent weniger Kosten hoffen, bei Reifen für Dienstfahrzeuge sind es 28 Prozent, bei Verpackungen sogar 51 Prozent.

Ausgeschlossen vom Zentraleinkauf sind allerdings branchentypische Produkte. Den Stahl, den eine Schlosserei verarbeitet hat die PME ebenso wenig im Angebot wie den Zement, den eine Baufirma braucht – im Gegensatz zum Klopapier für die Beschäftigten handelt es sich bei der Kostenkalkulation schnell um sensible Daten.

Trotz des Verzichts auf das so genannte strategische Material stieß die Vorstellung bei den Fellbacher Firmenchef am Montag auf eine eher verhaltene Resonanz. Neben der Skepsis, sich von einem Dienstleister beim Einkauf in die Karten schauen zu lassen, spielten möglicherweise auch die Kosten eine Rolle – neben einem Mitgliedsbeitrag von 500 Euro war am Montag von umsatzabhängigen Gebühren die Rede. Auch die Frage, ob sich lokale Lieferanten bei einem bundes- oder gar europaweit organisierten Einkauf überhaupt noch behaupten könnten, beschäftigte einige Unternehmer durchaus: „Ich kaufe für den Betrieb auch nach dem Prinzip Leben-und-leben-lassen ein. Was nützen ein paar Cent bei einer Großpackung Kopierpapier, wenn ein zuverlässiger ortsansässiger Lieferant eingeht, weil er nicht mithalten kann?“, fragte ein Fellbacher Unternehmer.