Die Arbeiten am neuen IT-Campus von Bosch in Feuerbach kommen gut voran. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Im vergangenen Jahr hat die Landeshauptstadt einen Allzeitrekord bei der Vermietung von Gewerbeflächen verzeichnete. Auch 2016 ist die Bautätigkeit der Unternehmen oder ihrer Dienstleister hoch.

Stuttgart - Am Freitag herrscht rund um den Porscheplatz in Zuffenhausen mal wieder Feierstimmung. Das neue, 80 Millionen Euro teure Motorenwerk des Sportwagenherstellers wird eingeweiht. Hier werden nun die V8-Motoren für den Panamera gefertigt, später die Antriebe für den ersten, „Mission E“ genannten Elektroporsche.

Und das ist erst der Anfang: Ein neues Karosseriewerk für 400 Millionen Euro ist auf dem Gelände schon im Bau, ebenso die zentralen Werkstätten. Eine neue Lackiererei sowie Hallen für Logistik und Montage sollen folgen. Investitionen von insgesamt 800 Millionen Euro seien im Rahmen der Standortsicherungsvereinbarung vorgesehen, sagt ein Firmensprecher. Dazu kämen 700 Millionen Euro für das Zukunftsprojekt „Mission E“. Weitere rund 1000 Arbeitsplätze sollen entstehen, deren Zahl sich seit 2009 ohnehin schon von 12 750 auf heute 25 000 „mehr als verdoppelt hat“, so der Sprecher.  

Mehr als 90 Prozent der Projekte sind Innenentwicklung

Porsche ist einer der Treiber im Industrie- und Bürobau Stuttgarts. „Unglaublich, wie Porsche expandiert“, sagt Dieter Rentschler, der stellvertretende Leiter der städtischen Wirtschaftsförderung. Eine Folge der innerbetrieblichen Umstrukturierung in Zuffenhausen ist, dass der Sportwagenbauer im Gewerbegebiet in Weilimdorf rund 30 000 Quadratmeter Büroflächen anmietet. Dies sind just jene Büros, die durch den Umzug des Beratungsunternehmens Ernst und Young zum Flughafen frei geworden sind. Der Nutzerwechsel in Weilimdorf zeige einmal mehr, dass freie Flächen nach Wegzügen wie der von Ernst und Young „immer sofort kompensiert und vom Markt problemlos aufgenommen werden“, erklärt Rentschler.

Die Bestandsentwicklung gehört denn auch zu den Hauptaufgaben der Wirtschaftsförderung. Beim Bau und der Vermietung von Gewerbeimmobilien und Büros gehen mehr als 90 Prozent der Aktivitäten auf das Konto von bereits hier ansässigen Unternehmen, die innerhalb der Stadt Standorte erweitern, verlagern oder zusammenfassen. „Weniger als zehn Prozent sind Zuzüge von außen“, weiß Dieter Rentschler. Die größte Herausforderung in Stuttgart sei, den hiesigen Unternehmen ein „organisches Wachstum aus dem Bestand“ zu ermöglichen, sagt Wirtschaftsbürgermeister Michael Föll (CDU). Denn Gewerbeflächen sind in der baden-württembergischen Landeshauptstadt bekanntlich knapp.

Viel Bewegung im Synergiepark Vaihingen-Möhringen

Viele Unternehmen haben wegen der guten Wirtschaftslage, neuer Technologien, aber auch aufgrund veralteter und teils zerstreut liegender Gebäude einen beachtlichen Flächenbedarf. Das zeigt etwa der Büromarktbericht für das vergangene Jahr. Mit einem Flächenumsatz bei den Vermietungen von insgesamt rund 290 000 Quadratmetern verzeichnete man in Stuttgart 2015 ein Plus von knapp fünf Prozent und damit das beste Ergebnis aller Zeiten. Die Leerstandsquote sank auf geringe 3,5 Prozent. Der Flächenumsatz der Industrie lag bei 124 000 Quadratmetern (plus 37 Prozent), alleine die Autofirmen trugen dazu 100  000 Quadratmeter bei. Die IT-Branche brachte es auf gut 40 000 Quadratmeter. Ähnlich dürfte es im laufenden Jahr weitergehen.

Immer wieder geht es primär um innerstädtische Verlagerungen, etwa wenn Celesio, einer der größten Pharmahändler in Europa, im ersten Quartal 2017 mit 380 Mitarbeitern, die noch auf mehrere Standorte verteilt sind, von Bad Cannstatt in seine neue Konzernzentrale im Europaviertel hinter die Stadtbibliothek zieht. Ähnlich verhält es sich bei der Allianz, die bis 2020 ihre innerstädtischen Standorte in der Reinsburgstraße und in der Uhlandstraße aufgibt und mit rund 4000 Mitarbeitern in den geplanten neuen Allianz Campus nach Vaihingen zieht (Bruttogeschossfläche: rund 100 000 Quadratmeter).

Daimler plant Bürokomplex für 4200 Beschäftigte

Vielfach aber handelt es sich bei den Bauprojekten um eine Kombination aus Standortkonsolidierung und notwendiger Erweiterung. Ein anschauliches Beispiel sind die Pläne des schwedischen Kunststoffkonzerns Trelleborg, der bis Sommer 2018 innerhalb des Industriegebiets Vaihingen-Möhringen umzieht. Aus den rund 500 Mitarbeitern in der jetzigen Zentrale der Dichtungssparte des Konzerns an der Industriestraße sollen künftig 600 werden, und zwar auf dem Gelände eines ehemaligen Logistikunternehmens. Auch typisch: Trelleborg baut nicht selbst, sondern lässt bauen, von dem in Stuttgart vielfältig aktiven Immobilieninvestor Bülow.

Der Synergiepark Vaihingen-Möhringen ist das Gewerbegebiet in Stuttgart mit der meisten Bewegungen. Ende des Jahres soll dort die neue Europazentrale des Kabelhersteller Lapp fertig sein, in der künftig 400 Beschäftigte arbeiten. Und neben der Allianz mit etwa 100 000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche plant dort Daimler das größte Bauprojekt. Auf dem ehemaligen Areal des Buchgroßhändlers KNV will der Autokonzern bis 2019 einen Bürokomplex mit bis zu 4200 Arbeitsplätzen erstellen. Auch wenn Daimler noch wenig sagt über das Projekt, ist doch anzunehmen, dass zu den Beschäftigten, die dort von anderen Standorten zusammengeführt werden, auch neue Arbeitsplätze entstehen dürften.

Bosch baut an seinem IT-Campus

Daimler hat auch am Standort Untertürkheim nochmals kräftig zugelegt. Rund 2400 Mitarbeiter des Einkaufs und der Entwicklung sind vorigen September in einen Neubau auf dem Werksgelände umgezogen. Nun wird das frei gewordene Gebäude zur weiteren Verwendung saniert. Auf dem Pragsattel wird Daimler Financial Services mit 600 Mitarbeitern schon bald in einen Neubau des „Skyline“-Projekts der Bülow AG ziehe und damit seinen Erweiterungsbedarf decken.

Auch Bosch investiert in Stuttgart kräftig in seine Betriebsstätten. Anfang nächsten Jahres soll der neue IT-Campus an der Borsigstraße in Feuerbach bezogen werden. Hier konzentriert der Automobilzulieferer rund 1500 IT-Mitarbeiter verschiedener Standorte, „um die Zusammenarbeit untereinander und mit unseren Kunden zu optimieren“, so eine Sprecherin. Noch in diesem Jahr soll der Bau eines Bürokomplexes mit vier Gebäuden an der Löwentorstraße in Bad Cannstatt beginnen, den die Münchner Dibag für Bosch errichten wird.

Bülow und Doblinger sind mit von der Partie

Der in Stuttgart seit vielen Jahre aktive Großinvestor Alfons Doblinger plant mit seiner Dibag auch einen Bürokomplex an der Daimlerstraße im Neckarpark, der dem Vernehmen nach ebenfalls mit einem hier ansässigen Unternehmen belegt wird. Schon bekannt ist, dass Autozulieferer Mahle im Umfeld seines Standorts an der Pragstraße in Bad Cannstatt ein neuen Bürocampus plant, wo auch 1400 neue Mitarbeiter unterkommen sollen. Nächstes Jahr will der Hersteller von Motorenkomponenten beginnen, 2020 das Hauptgebäude des geplanten Komplexe stehen. Und im Gewerbegebiet Weilimdorf ist das weltweit aktive Unternehmen Vector Informatik, das Softwarewerkzeuge und Komponenten für die Vernetzung elektronischer Systeme in Automobilen und Bussen entwickelt, auf dem Gelände eines ehemaligen Glasverarbeitungsbetrieb vor der Fertigstellung ihres neuen Hauptgebäudes für 600 Mitarbeiter. Es ist bereits das fünfte Gebäude von Vector in Weilimdorf.

So viel sei seit Langem nicht mehr gebaut oder geplant worden in Stuttgart, sagt Dieter Rentschler. Der hohe Anteil, den die hiesigen Unternehmen als Bauherren oder Mieter haben, ist auch Ursache für ein Charakteristikum des heimischen Immobilienmarktes: die im Vergleich mit anderen Großstädten stabilen und nicht übertriebenen Preise. Das häufig nach den klaren Anforderung der Auftraggeber gebaut werde, mache die Sache einfacher, sagt der Wirtschaftförderer. Und: „Die Industrie reguliert das, die legen Wert darauf, dass die Preise nicht davonlaufen“, erklärt Rentschler.