Bundeskanzlerin Angela Merkel hat als Geste der Freundschaft dem indischen Premier Narendra Modi eine gestohlene Statue zurückgegeben, die das Stuttgarter Lindenmuseum ersteigert hatte. Foto: dpa

Im Rahmen ihrer Indien-Reise hat Kanzlerin Angela Merkel dem indischen Volk die Statue der Göttin Durga zurückgegeben, die das Stuttgarter Linden-Museum vor 15 Jahren ersteigert hatte. Das Museum erfuhr später, dass sie aus Indien gestohlen worden war.

Neu Delhi - Der Mann hat keine Beine, er sitzt auf einem Brett mit Rollen, an den Händen trägt er Badelatschen. Damit kann er sich besser vom Boden abstoßen - seine einzige Möglichkeit, sich durch die Marktgassen im fast 400 Jahre alten Teil von Delhi zu kämpfen. Über unebenen Betonboden, durch Staub und Hitze.

Zeitgleich, einige Kilometer entfernt im feinen Regierungsviertel der 17-Millionen-Einwohner-Stadt mit prächtigen und klimatisierten Palästen im Kolonialstil, sprechen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierminister Narendra Modi über die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen und den Klimawandel.

Das, was am Montag während dieser dritten deutsch-indischen Regierungskonsultationen beschlossen wird, kann den Mann auf dem Rollbrett nicht erreichen. Doch das Treffen ist nicht ohne Wirkung.

Mehrere Bundesminister und Staatssekretäre sind dabei. Und Eliten der deutschen Wirtschaft: Die Chefs von Siemens, BASF, Airbus, Bombardier, Boehringer, Thyssen Krupp, der Deutschen Post, der Deutschen Bank und der Deutschen Messe.

Zwar sind es diesmal nur vergleichsweise kleine Schritte, die vereinbart werden: Indien bekommt etwa aus dem Haushalt von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) mehr als eine Milliarde Euro zinsverbilligter Kredite, größtenteils zum Klimaschutz wie für den Bau von Solardächern, und in Bildung und Forschung werden Kooperationen vereinbart. Aber es gebe Projekt in der „Pipeline“, heißt es, das könnten womöglich einmal „Mega-Deals“ werden. Darauf weist auch die hochrangige Wirtschaftsdelegation hin.

Denn auch das vereinbaren die beiden Regierungen: Künftig sollen deutsche Unternehmen in Indien schneller als bisher investieren können. Dafür soll nun ein Schnellverfahren eingeführt werden, in dem eine neue Behörde Hemmschwellen für deutsch-indische Geschäfte abbauen soll, an denen derzeit noch viele Planungen hängenbleiben.

Airbus-Chef Thomas Enders hatte sich kurz vor Beginn der Regierungskonsultationen noch einmal öffentlich bitter beklagt über Willkür und fehlende Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen in Indien. Immer wieder seien öffentliche Ausschreibungen aus „ziemlich dubiosen Gründen“ widerrufen worden, sagte er. „Das hat uns sehr viel Geld gekostet.“ Aber solche Kritik kann ein Verhältnis auch stärken.

Denn erstens gilt Modi als Freund der offenen Worte im persönlichen Gespräch und zweitens will er Indiens Stellung in der Welt ausbauen. Er will auf Augenhöhe mit China behandelt und als Partner für die großen Fragen der Welt wie Terrorbekämpfung und Friedenssicherung ernst genommen werden. Merkel erlebt einen national-hinduistischen Premierminister, der selbstbewusst auftritt, ganz anders als sein weltoffener, leise und weise wirkender Vorgänger Manmohan Singh.

Modis Sorgen kreisen vor allem um die Armut in Indien

Die Flüchtlingskrise, die seit Wochen Europa umtreibt, nennt Modi nicht ausdrücklich. Aber er sagt, Merkel habe eine Führungsrolle eingenommen und sei ein „zuverlässiger Anker“ in schwierigen Zeiten für Europa in der Welt. Er bedankt sich, dass sie nach Indien gekommen ist, obwohl sie Zuhause eigene „Sorgen“ haben.

Modis Sorgen kreisen vor allem auch um die Armut in seinem Land, 350 Millionen der knapp 1,3 Milliarden Einwohner Indiens müssen mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen. Da liegt ihm der Klimaschutz ferner, wenngleich beide etwas miteinander zu tun haben.

Modi bemüht sich, Anschluss etwa an die Ziele des Schwellenlandes Brasilien zu halten, und sagt: „Wir hoffen auf konkrete Ergebnisse in Paris.“ Das tut auch Merkel, die seit Jahren um mehr Verbindlichkeit in den Vereinten Nationen kämpft, um die Erderwärmung dauerhaft unter zwei Grad Celsius zu halten.

Der Klimasünder Indien wäre hier ein ganz wichtiger Partner. Scheitern die rund 190 Staaten bei ihrer Klimakonferenz im Dezember in Paris wieder daran, mehr konkrete Ziele bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu vereinbaren, wird der Klimawandel kaum einzudämmen sein. Gerd Müller sagt: „Nur mit den Schwellenländern gemeinsam wird es uns gelingen, den Klimawandel zu stoppen.“

Als Geste der Freundschaft gibt Merkel Modi eine Statue der Göttin Durga zurück, die das Stuttgarter Linden-Museum vor 15 Jahren in New York ersteigert hatte. Das Museum erfuhr erst später, dass sie aus Indien gestohlen worden war. Modi legt Wert auf eine solche Geste. Er nutzt die feierliche Übergabe, um Zuversicht für die Lösung schwieriger Konflikte zu verbreiten: Die mehr als 1000 Jahre alte Skulptur sei ein „Symbol für den Sieg des Guten über das Böse“.