Martin Körner (links), Fraktionschef der SPD im Gemeinderat, fordert von OB Fritz Kuhn (Grüne), Investitionen schneller umzusetzen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Seit 2013 hat sich die Summe an vom Gemeinderat genehmigten, von der Verwaltung aber nicht abgearbeiteten Investitionen glatt verdoppelt. Der SPD-Fraktionschef fordert eine Offensive.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt hat mit dem Haushaltsabschluss 2019 rund 718 Millionen Euro Investitionsmittel in dieses Jahr übertragen. Das sind rund 60 Millionen Euro mehr als im Vorjahr (658 Millionen). 2017 stand die Summe bei 545, 2013 bei erst rund 300 Millionen. Die Bugwelle an Geld, das der Gemeinderat in teils zähen Beratungen beschlossenen hat, wird immer höher.

2013 hatte der damalige Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) erklärt, dass 300 Millionen Euro dem Volumen des Investitionshaushaltes eines kompletten Jahres entsprächen. Der Rat beschließt alle zwei Jahre einen Doppelhaushalt. Bei einem Stand von 718 Millionen Euro könnte er die nächsten Etatberatungen einfach ausfallen lassen – es wäre immer noch genügend Geld da, das von der Verwaltung umgesetzt werden müsste. Tatsächlich hatten die 60 Stadträte hinter verschlossenen Türen schon einmal erwogen, keine weiteren Schulsanierungsvorhaben aufzunehmen, denn die Liste der nicht abgearbeiteten sei schon zu lang. Mehr als 30 Millionen Euro könnten pro Jahr kaum verbaut werden, hieß es. Das enttäuscht Lehrer, Schüler und Eltern.

Schulverwaltungsamt hat 238 Millionen frei

Allein das Schulverwaltungsamt schob Ende 2019 eine freigegebene Investitionssumme in Höhe von 238 Millionen Euro vor sich her und war damit vor dem Tiefbauamt (129 Millionen), dem Liegenschafts- (100) und Jugendamt (78 Millionen) der absolute Spitzenreiter. Beim Abschluss 2018 hatte sich die Bugwelle im Schulverwaltungsamt auf erst 208 Millionen Euro getürmt.

Viele Ämter klagen über eine ausgelastete Bauwirtschaft – und fehlendes eigenes Personal. Auf Ausschreibungen reagierten teils nur wenige Firmen mit manchmal absurden Preisvorstellungen. Im Extremfall gehe gar kein Angebot ein. Bei den Schulen verschärft sich das Problem, denn hier ballen sich die nötigen Sanierungen in den Ferien, wenn die Räume frei, Handwerker aber rar sind.

Hohe Rücklagen verfügbar

Martin Körner, OB-Kandidat der SPD und Sprecher der Fraktion im Gemeinderat, will die Investitionen beschleunigen. Bei den Beratungen zum Nachtragshaushalt 2020 forderte er von der Verwaltung entsprechende Vorschläge ein. Angesichts der Corona-Pandemie und steigender Arbeitslosenzahlen – in Stuttgart wurde im Juli erneut die Marke von 20 000 überschritten – müssten die sonst üblichen 300 Millionen Euro pro Jahr für 2020 und 2021 jeweils verdoppelt werden. „Das stützt die Konjunktur und bremst die Arbeitslosigkeit“, so Körner. OB Fritz Kuhn (Grüne) sagte eine Überprüfung zu.

Neben den rund 700 Millionen Euro verfügt die Stadt über Rücklagen. 1,3 Milliarden Euro könnten laut Körner für weitere Investitionen frei gemacht werden, „ohne einen einzigen Cent neue Schulden aufnehmen zu müssen“. Die Stadt ist seit Ende 2018 im Kernhaushalt schuldenfrei, größte Kreditnehmer sind die Betriebe für die Stadtentwässerung und die Abfallabfuhr, doch deren Schulden können durch Gebühren finanziert werden, belasten den Haushalt daher nicht.

FDP drängt auf Sparbeschlüsse

Die von Körner geforderte Investitionsoffensive wäre Sache des Gemeinderates. Dort und auch in der Verwaltung gibt es aber auch andere Stimmen, die angesichts von Corona von Einsparprogrammen sprechen. „Nach den Sommerferien müssen wir ordentlich diskutieren, was man einsparen kann“, forderte FDP-Fraktionschef Matthias Oechsner. Allerdings dürfte nach den Sommerferien der OB-Wahlkampf an Fahrt gewinnen – unwahrscheinlich, dass einer der Kandidaten einer Sparorgie das Wort redet.