Ingenieur Hans Schober spricht über ein Leuchtfeuer der Freiheit und die Arbeit am Freedom Tower in New York. Foto: Max Kovalenko

Er ist mehr als ein Turm. Er ist ein Symbol. Der Freedom Tower entstand am Ground Zero in New York, wo bis zu den Anschlägen des 11. September 2001 die Zwillingstürme des World Trade Center standen. Hans Schober vom Stuttgarter Büro Schlaich Bergermann und Partner plante die Turmspitze.

Stuttgart - Er ist mehr als ein Turm. Er ist ein Symbol. Der Freedom Tower entstand am Ground Zero in New York, wo bis zu den Anschlägen des 11. September 2001 die Zwillingstürme des World Trade Center standen. Hans Schober vom Stuttgarter Büro Schlaich Bergermann und Partner plante die Turmspitze.


Herr Schober, wissen Sie noch, wo Sie am 11. September 2001 waren?
Natürlich. Ich denke, fast jeder weiß noch, wo er an diesem Tag war. Ich saß im Büro und konnte die Nachricht gar nicht glauben. Dann bekam ich – noch vor dem Einsturz – einen Anruf von einem Fernsehsender, der gefragt hat, was mit den Hochhäusern passieren könnte. Ich konnte ihnen darauf keine Antwort geben.

Dass die Türme einstürzen haben auch Sie nicht geahnt?
Nein. Wer konnte schon eine solche Katastrophe vorhersehen und beurteilen. Ich war später am Ground Zero, der Ort war schlichtweg eine Wüste. Ich hatte und habe immer noch die Bilder im Kopf von den Menschen, die aus den brennenden Türmen springen. An dem Zaun hingen Zettel, Nachrufe, Gesuche, Blumen. Mich hat das mitgenommen, und man spürt, welche Bedeutung dieser Ort für die Amerikaner hat und welche Wunden dieser Angriff gerissen hat.


Diese Wunde haben Sie mit dem Freedom Tower geheilt?
Wir sollten es nicht überhöhen. Aber es macht uns sehr stolz, dass wir als Nichtamerikaner den Auftrag für die Turmspitze bekommen haben.

Wie sind Sie dazu gekommen?
Der Architekt Rafael Vinoly hat uns mit ins Boot geholt. Er hat 2003 mit seinem Entwurf den zweiten Platz beim Master-Plan-Wettbewerb erreicht. Gewinner war Daniel Libeskind mit seinem Entwurf.

Libeskind ist der Architekt des jüdischen Museums in Berlin.
Genau. Der Turm sollte aus der Ferne an die Freiheitsstatue erinnern und „Gardens of the World“ heißen. Der Investor Larry Silverstein holte dann noch Skidmore Owings & Merrill als Projektarchitekten ins Boot, welcher unser Büro von anderen Projekten her kannte und uns als Tragwerksplaner engagierte, so dass wir trotz zweitem Platz beim Wettbewerb nun mit von der Partie waren.Und so planten wir die Spitze, eine halboffene Struktur aus Stahlträgern und Stahlseilen.

Sollten daran nicht Windmühlen befestigt werden?
Das war die ursprüngliche Idee. Aber auch dieser Entwurf fand nicht den Gefallen von Silverstein. Und der Polizei, welche erhöhte Sicherheit bei Terroranschlägen verlangte. Also hat man ihn auch geändert. Und wer zahlt, bestimmt. Man kann schon fast sagen, dass eigentlich nur die Höhe unverändert geblieben ist. 1776 Fuß. Das Jahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.

Das sind 541 Meter. Die von Ihnen geplante Turmspitze trägt dazu 135 Meter bei.
Ja. Wenn man das so liest, hört sich das gar nicht so beeindruckend an. Aber das entspricht der Höhe des Fernsehturmes bis zur Kanzel.

Und die Spitze kippt nicht um?
Natürlich nicht.

Welche Windgeschwindigkeiten muss die Antenne aushalten?
240 Kilometer in der Stunde. Das ist fast doppelt so stark, wie der Sturm Lothar geblasen hat. Wir haben ein Modell gebaut und in einem Windkanal in Kanada getestet. Da passiert nichts.

Da darf auch nichts passieren?
Nein. Dieses Gebäude hat eine so hohe symbolische Kraft, dass da die ganze Welt daraufschaut. Wir haben quasi immer unter Beobachtung gearbeitet.

Haben Bush oder Obama auch mal auf der Baustelle vorbeigeschaut?
Ja. Aber ich habe sie persönlich nicht gesehen. Das hat ja Ausmaße von Staatsbesuchen. Da ist alles abgesperrt.

Mal abgesehen vom Ort, gab es Überraschungen in New York?
Ich habe das Klima unterschätzt. 2005 bin ich nach New York, als klar war, nun wird gebaut. Ein ungeheures Geschenk für mich: Ich war damals ja beinahe schon Rentner und durfte nach New York. Unglaublich. Also kam ich dort an und habe ein Büro gefunden, in der 21sten Straße. Es war komplett leer. Auch ohne Klimaanlage. Und ich dachte, die brauche ich nicht, das bissle Sonne halte ich aus.

Das war ein Irrtum?
Ja. New York liegt auf der Höhe von Neapel,und die Luftfeuchtigkeit ist immens. Ich bin dann schnell losgezogen und habe eine Klimaanlage gekauft. Als wir immer mehr Aufträge bekamen, mittlerweile haben wir 15 Angestellte, zogen wir um in ein Büro am Times Square – mit Klimaanlage.

Dieses Wachstum, ist das die Folge des Auftrags am Freedom Tower?
Ja. Wir hatten vorher schon Projekte in den USA. Ich war dort immer wieder unterwegs. Aber es gilt der Satz, wer in New York Fuß fasst, schafft es überall.

War das Schaffen denn schwer?
Ich kann es nicht beschwören, aber ich glaube, das ist die längste Antenne der Welt. Normalerweise baut man ein Gerüst. Und mit dem Gerüst wächst das Bauwerk. Doch das ging hier nicht: Wir konnten ja keinen zweiten Turm bauen. Also haben zwei Kräne die Antenne hochgehoben. Deshalb haben wir die Antennenstücke vorgefertigt.

Wo geschah das?
Die Turmspitze besteht aus 18 Segmenten. Sie wurden in Quebec in Kanada hergestellt, dann mit dem Schiff über den Sankt-Lorenz-Strom zum Atlantik und über den Hudson River ans Pier 25 in Lower Manhattan gebracht. Und dann mit den Kranen nach oben gehoben. Das geht natürlich nur bei schönem Wetter.

Und die Teile werden von Hand verschraubt?
Ja. Da muss man absolut schwindelfrei sein. Das schwankt ganz schön da oben. Deshalb mussten die Antennenteile auch genau aufeinanderpassen. In 500 Meter Höhe kann man nicht mehr herumbasteln, sage ich jetzt mal flapsig. Und was dazukommt: die Turmspitze hat ja eine Funktion. Sie fungiert als Antenne für Radio, Fernsehen und so weiter. Deshalb haben die Stücke unterschiedliche Formen, mal fünfeckig, mal zwölfeckig.

Und das passt aufeinander.
Ja. Wir haben die Stücke mit vorgefertigten Stahlgusselementen verbunden und die Antennenstücke vorher in eine gigantische Fräsmaschine gespannt, damit sie ganz eben abgehobelt waren.

Doch die Spitze ist ja nicht nur Antenne, sie leuchtet auch.
Ganz oben ist eine stilisierte Fackel, die an die Freiheitsstaue erinnert. Das Leuchtfeuer soll man noch in 80 Kilometer Entfernung erkennen.

Stuttgart erleuchtet New York?
Übertreiben müssen wir es nicht. Aber es ist schon ein besonderes Gefühl, an einem der markantesten Gebäude der Welt mitgewirkt zu haben.