Würde keiner ein- oder aussteigen, wäre die S-Bahn ganz pünktlich. Foto: Leif Piechowski

Das Dilemma der Stuttgarter S-Bahn ist ihr Erfolg. Weil immer mehr Leute einsteigen und der Takt immer besser wird, kommen die Züge nicht rechtzeitig vom Fleck. Der Verband Region Stuttgart und die Bahn wollen die Pünktlichkeit aber wieder verbessern.

Stuttgart - Die heftigste Kritik durften sich beim S-Bahn-Gipfel im regionalen Verkehrsausschuss die Vertreter der Firma Bombardier anhören. „Was Sie da abgeliefert haben, ist keine Glanzleistung“, sagte CDU-Regionalrat Helmut Noe zum Vorsitzenden der Geschäftsführung, Michael Clausecker, und zum Projektleiter für den neuen S-Bahn-Zug ET 430, Stefan Wätzold. „Das ist keine deutsche Wertarbeit“, urteilte Alfred Bachofer (Freie Wähler) über die Tatsache, dass die Bahn die ersten 13 Fahrzeuge des 500-Millionen-Euro-Pakets Anfang Juli wieder zurück ins Depot schickte, weil ein ausfahrbarer Schiebetritt zur Überbrückung des Spalts zwischen Bahnsteig und Zug nicht funktionierte und für massive Verspätungen sorgte.

Clausecker nahm’s gelassen und berichtete bis ins Detail von der Fehlersuche. Diese dauere, da der Zug beim nächsten Einsatz richtig funktionieren soll. „Der nächste Schuss muss sitzen“, sagte Clausecker, der damit rechnet, die ersten Züge von Mitte Dezember an wieder ins Rennen schicken zu können. Bis Mitte 2014 sollen alle 87 neuen Züge auf der S 1, S 2 und S 3 unterwegs sein.

Weil sich die Pünktlichkeitskurve der S-Bahn aber auch schon vor dem ET-430-Debakel im Sinkflug befand und die Pendler sich in der Hauptverkehrszeit nur auf drei von vier Zügen verlassen können, waren auch die Bahntöchter DB Regio als Betreiber der S-Bahn, die DB Netz als Besitzer der Schienen, Signale und Stellwerke sowie die DB Station und Service als Eigentümer der Bahnhöfe gefragt. „Der Zustand der S-Bahn ist nicht vertragsgemäß“, schrieb Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) den Herren ins Stammbuch.

S-Bahnen mit 370.000 Fahrgästen

Da die Sitzung bei Treffen auf Arbeitsebene vorbereitet war, widersprachen diese gar nicht erst. „Die Pünktlichkeit ist seit 2007 stetig zurückgegangen“, sagte Lars Grübnau von der DB Netz. In der Frühhauptverkehrszeit um durchschnittlich 1,8 Prozent, am späten Nachmittag sogar um 6,4 Prozent. „Das ist ein Hinweis auf die nicht mehr ausreichende Erholfähigkeit“, sagte Grübnau und verwies auf 16 Prozent mehr Züge im gleichen Zeitraum. Heute sind es 1319 täglich im gesamten Netz – von der S-Bahn bis zum Güterzug.

Weil inzwischen rund 370.000 Fahrgäste in die S-Bahnen einsteigen, haben sich auch die Haltezeiten verlängert: im Hauptbahnhof etwa um elf Prozent. Grübnau ließ durchblicken, dass mittelfristig nur ein Ausbau der Infrastruktur wie etwa Signaltechnik helfen kann. Vorschläge dazu will er aber erst zum Jahreswechsel vorlegen.

„Wir wissen genau, dass wir Handlungsbedarf haben“, sagte der Produktionsleiter und nannte die „Riesenbaustelle Leitungssicherungstechnik“. Wo jahrelang an der Instandhaltung gespart wurde, fließen seit 2011 aber Zusatzmittel: Seither insgesamt 15 Millionen, künftig jährlich sieben Millionen Euro. Bis 2014 soll auch ein Konzept gegen technische Störungen im Innenstadttunnel erarbeitet werden.

Hans-Albrecht Krause von der DB Regio versprach Verbesserungen bei der Abfertigung der Züge auf der dortigen Stammstrecke vom neuen Jahr an, indem die Fahrer die Türen schneller schließen sollen und Helfer auf dem Bahnsteig den Fahrgastpulk in geordnete Bahnen lenken. Dafür investiere man 400.000 Euro. Auch die Fahrgastinformation in Zügen und auf Bahnsteigen soll deutlich besser werden. An eine Entschädigung etwa der Zeitkarteninhaber wegen der Zustände im Juni (Krause: „Das war ein schwarzer Monat“) denkt der S-Bahnchef aber nicht: „Das löst überhaupt kein Problem. Wir wollen das Geld, das zur Verfügung steht, in die Problemlösung stecken.“ Damit der Erfolg der Stuttgarter S-Bahn nicht dauerhaft zum Dilemma wird.