Voll integriert: Der gehörlose Ugur K. hat einen Arbeitsvertrag bei der Firma Mahle in Eislingen unterschrieben. Foto: Ines Rudel

Trotz allem Engagement der Arbeitsagenturen und der Integrationsfachdienste und trotz finanzieller Hilfen ist es nicht einfach, Unternehmen und Betriebe davon zu überzeugen, Menschen mit einem Handicap einzustellen. Es gibt aber positive Beispiele.

Eislingen - Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember hat für Ugur K. ab sofort nicht mehr nur eine rein symbolische Bedeutung. Just am vergangenen Montag hat der 26-Jährige in der Eislinger Niederlassung des Automobilzulieferers Mahle einen regulären Arbeitsvertrag als Maschinenbediener unterschrieben. Der Göppinger leidet unter dem Usher-Syndrom. Er ist bereits gehörlos und könnte, je nach Verlauf der Krankheit, irgendwann auch noch sein Augenlicht verlieren. Entsprechend schwierig war es für ihn, trotz einer Ausbildung zum Feinwerktechniker, eine Anstellung zu finden. „Jetzt bin ich nur glücklich“, erklärt er freudestrahlend.

Fünf Jahre mit Lehrgängen, Fortbildungen und Qualifizierungen mussten jedoch vergehen, bevor der junge Mann auf Vermittlung der Lebenshilfe und der Arbeitsagentur für ein Praktikum bei der Firma Mahle gelandet ist. „Das hat dann aber so gut geklappt, dass wir ihm eine unbefristete Übernahme anbieten konnten“, sagt die Personalleiterin Ursula Schirm. Ugur K. sei ein ebenso angenehmer wie motivierter Mensch, der sich aktiv einbringe und integrieren wolle. Unumwunden räumt die Personalchefin allerdings ein, dass die Zeit der Erprobung und die Begleitung, die der Integrationsfachdienst auch künftig fortsetzen wird, zielführend gewesen sei.

Thekla Schlör: Müssen die Aufklärung noch stärker in den Fokus rücken

„Bei einer gewöhnlichen Bewerbung würde man sich da schwer tun. Eine gewisse Skepsis, auch bei den Kollegen, ist zunächst einfach da“, betont Schirm, fügt aber sofort hinzu, dass sich diese sehr schnell gelegt habe. Insgesamt hat Mahle in seinem Eislinger Werk mit schwerbehinderten Beschäftigten gute Erfahrungen gemacht und erfüllt die vorgegebene Pflichtquote, die nur für Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten gilt, locker.

Dass dies eher eine Ausnahme ist, wird nicht nur beim Blick in die Region Stuttgart deutlich. So steigt der Anteil schwerbehinderter Menschen, die in Lohn und Brot finden, zwar ebenfalls, aber nicht überall und nicht in gleichem Maße wie die Arbeitslosenquote insgesamt sinkt. Auch Thekla Schlör, die Leiterin der Göppinger Arbeitsagentur, betont, dass die gesetzliche Vorgabe von fünf Prozent bei privaten und sechs Prozent bei öffentlichen Arbeitgebern selten erreicht wird. „Wir müssen die Aufklärung noch stärker in den Fokus rücken, bei Jobbörsen, Telefonaktionen oder anderen Veranstaltungen und natürlich weiter rausgehen zu den Arbeitgebern“, benennt sie die weiterhin anstehenden Aufgaben.

Es gibt ein sich hartnäckig haltendes Gerücht zum Kündigungsschutz

Rita Maier, die Teamleiterin für berufliche Rehabilitation und Teilhabe in der Göppinger Agentur, macht deutlich, dass der Aufwand zwar Mühe und Geld koste. „Dort wo intensiv gearbeitet wird, zeigen sich aber auch die entsprechenden Erfolge bei der Vermittlung von Schwerbehinderten, denen es an der notwendigen Qualifikation häufig nicht mangelt“, ergänzt sie. Mit einem sich hartnäckig haltenden Gerücht, das offenkundig viele Betriebe davon abhält, offene Stellen mit Behinderten zu besetzen, räumt Maier ebenfalls auf: „Wir hören oft die Aussage, dass man diese Leute ja nicht mehr loskriege.“ Das stimme so allerdings nicht. „Lassen sich Schwerbehinderter etwas zu Schulden kommen oder gibt es wirtschaftliche Schwierigkeiten, kann ihnen genauso gekündigt werden wie anderen Beschäftigten“, fährt sie fort.

„Es gibt nur einen besonderen Kündigungsschutz, wenn es um behinderungsbedingte Einschränkungen geht, was wiederum vom Integrationsamt überprüft wird.“ Solche Probleme ließen sich aber meist durch technische oder andere Umgestaltungen des Arbeitsplatzes beseitigen, erklärt Maier. Die Kosten dafür würden den Unternehmen sogar erstattet. Das Geld kommt – einfach formuliert – aus dem Topf, in den die sogenannte Ausgleichsabgabe fließt. Dieser wird von all jenen Firmen gefüllt, die der Beschäftigungspflicht von Schwerbehinderten gar nicht oder nur unzureichend nachkommen.

Dass es beim bloßen Blick auf die Zahlen zu Fehlinterpretationen kommen kann, macht die Statistik aber ebenfalls deutlich. So scheinen Schwerbehinderte im Raum Ludwigsburg fast gar nicht vom konjunkturellen Hoch zu profitieren. Dies stimmt aber schon aus zwei Gründen nicht. Einerseits kommt der Kreis Ludwigsburg den Pflichtquoten innerhalb der Region noch mit am nächsten. Und zum anderen berichtet der Arbeitsagentur-Chef Martin Scheel von einem nicht erklärbaren Phänomen: „Wir haben, warum auch immer, deutlich höhere Zugänge und einen höheren Bestand bei den Schwerbehinderten – aber halt auch eine höhere Vermittlungsquote.“