Als Schuldner gilt, wer seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann und mindestens zweimal gemahnt wurde. In welchen Stadtbezirken am meisten Ebbe im Geldbeutel herrscht, erfahren Sie in unserer Bildergalerie. Foto: dpa

Manche können nicht mit Geld umgehen, andere machen Schulden, weil sie der Jobverlust finanziell in Not gebracht hat. In Stuttgart ist die Zahl überschuldeter Privathaushalte erneut gestiegen. 53.300 Menschen können ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen. Die Zahl wird weiter steigen, prophezeien Experten.

Stuttgart - Die Stadtkarte von Stuttgart zeigt große rote Flächen. Das ist kein gutes Zeichen, denn überall dort, wo es satt rot ist, sind 14 und mehr Prozent der Einwohner verschuldet. Insgesamt sind mit rund 53.300 Frauen und Männern aktuell 10,32 Prozent der Stuttgarter überschuldet und haben „nachhaltige Zahlungsstörungen“. Das heißt, sie können ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen und zum Beispiel ihre Miete oder die Raten fürs Auto nicht mehr bezahlen. Und sie sind mindestens zwei Zahlungsaufforderungen nicht nachgekommen. Mit der Quote von 10,32 Prozent gibt es in Stuttgart mehr Schuldner als im bundesweiten Durchschnitt. Der liegt bei 9,65 Prozent. Außerdem sitzen in Stuttgart laut der aktuellen Statistik 2000 Menschen mehr als 2011 in der Schuldenfalle.

„Die Schuldnerzahl ist gestiegen, obwohl sich die Konjunktur stabilisiert und sich durch hohe Tarifabschlüsse die Einkommenssituation verbessert hat“, sagt Thomas Schlegel, Geschäftsführer der Creditreform Stuttgart. Das Unternehmen hat bundesweit Filialen und prüft etwa für Firmen die Kreditwürdigkeit künftiger Kunden. Mittels ihrer Datenbank erstellt die Creditreform den sogenannten Schuldenatlas, in dem auch die Entwicklung in Stuttgart und der Region abgebildet ist. Über das Datenmaterial lässt sich sogar die Schuldnerquote in einzelnen Straßen aufschlüsseln.

Satt rot auf der Karte der Landeshauptstadt ist die Innenstadt im Bereich Heilbronner Straße, Hauptbahnhof und Rotebühlplatz mit einem Schuldneranteil von 27,13 Prozent an der Bevölkerung über 18 Jahre. Dann kommt Stuttgart-West mit einer Quote von 17,43 Prozent. In Münster, Hallschlag und Burgholzhof liegt die Schuldnerquote bei 15 Prozent. Erfrischend grün ist die Stuttgart-Karte im Bereich Lenzerhalde und Killesberg. Dort sind nur 3,88 Prozent der Anwohner überschuldet. Degerloch, Sonnenberg und Hoffeld sind ebenfalls mit 4,97 Prozent grün.

Ein Drittel der Schuldner lebt auf zu großem Fuß

Die Gründe dafür, dass die Menschen in die Schuldenfalle tappen, sind laut Schlegel sehr unterschiedlich. In etwa 31 Prozent der Fälle leben die Schuldner auf zu großem Fuß, leisten sich mit einem neuen Auto oder elektronischen Trendgeräten Dinge, für die ihnen von vornherein das Geld fehlt. Erleichtert würden solche Einkäufe durch leicht gemachtes Shoppen im Internet. In 29 Prozent der Fälle ist die Überschuldung auf Scheidung oder Trennung zurückzuführen, in 20 Prozent auf den gescheiterten Versuch, sich selbstständig zu machen, und in 19 Prozent der Fälle auf Arbeitslosigkeit.

Die durchschnittliche Schuldenhöhe liegt laut Schlegel bei etwa 33.000 Euro pro Schuldner. „Es kann aber auch ganz schnell über 100.000 gehen, zum Beispiel wenn der Start in die Selbstständigkeit schiefgeht.“

Bei der Zentralen Schuldnerberatung Stuttgart sind die Wartelisten für einen Beratungstermin lang. „Die Nachfrage ist kaum noch zu bewältigen“, sagt der Leiter Wolfgang Schrankenmüller. Als weitere Gründe fürs Schuldenmachen nennt er die drastischen Miet- und Mietnebenkostensteigerungen und hohe Lebenshaltungskosten bei gleichzeitiger Zunahme von Arbeitsverhältnissen mit geringem Einkommen.

Die Schuldnerquote in der gesamten Region Stuttgart liegt trotz des schlechten Abschneidens der Landeshauptstadt unter der bundesweiten Quote. Sie beträgt 7,80 Prozent, das heißt, dass inklusive der Stuttgarter 178 300 Menschen überschuldet sind. Das sind 5600 (0,21 Prozent) mehr als im Vorjahr. Dass die Schuldenkarte der Landeshauptstadt in absehbarer Zeit grüner wird, ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Die Experten rechnen mit einem weiteren Anstieg der Schuldner. Als Gegenmaßnahmen fordern sie einen Ausbau der Schuldnerberatungsstellen und, da die Schuldner immer jünger werden, die stärkere Thematisierung des Konsumverhaltens in den Schulen.