Gerold Jäggle, Martin Walser (Ausschnitt), 2012 Foto: Gerold Jäggle/Galerie Andreas Henn

Bildhauerporträts sind nicht von gestern, sondern hoch aktuell. Das belegt eine Schau der Galerie Andreas Henn in Stuttgart.

Stuttgart - Bildhauerporträts sind nicht von gestern, sondern hoch aktuell. Das belegt eine Schau der Galerie Andreas Henn in Stuttgart.

Porträts erzählen Geschichte(n)

Die Gesichtslinien sind fein gezogen, Bewunderung wird spürbar für die Persönlichkeit, die diesen Kopf prägt. 1952 porträtiert der Bildhauer Gustav Seitz (1906-1969) die US-amerikanische Folk-Sängerin Hope Foye. Ein stilles Zeugnis der Zuversicht und des Mutes – es zeigt eine Frau, deren Karriere das eigene Heimatland doppelt zerstört: Die Opernbühne bleibt Foye aufgrund ihrer Hautfarbe versperrt, als Folksängerin gerät sie ins Visier des Kommunistenjägers Joseph McCarthy.

Kunstgeschichte in Echtzeit

Seitz, selbst ein Wandelnder zwischen den deutschen Welten nach 1945, zeigt Foye, in eigenem Stolz. Die Sängerin verlässt ihre Heimat, wird in Mexiko berühmt und lebt vor ihrer Rückkehr nach Kalifornien lange Jahre in Europa. Im eigenen Lebensrückblick Foyes von 2018 wird ihr Gesicht auch und gerade im Alter zu einem bestätigenden Spiegel von Gustav Seitz’ frühem Porträt. Zu sehen ist die Bronze in einem exquisiten Panorama von Bildhauerporträts in der Stuttgarter Galerie Andreas Henn (Wagenburgstraße 4). Die Schau gerät zur Kunstgeschichte in Echtzeit – und rückt mit Gerold Jäggles Porträt von Martin Walser von 2012 auch die ungebrochene Aktualität des plastischen Porträts in den Blick.

Köpfe zeigen Welten

Künstlerinnen (wie Mechthild Ehrmann) und Künstler (Jakob Wilhelm Fehrle fehlt so wenig wie Karl-Henning Seemann) sehen Künstlerinnen und Künstler, sehen Schauspieler, Dichter und Philosophen – eigene Fäden zieht und spinnt diese Ausstellung. Köpfe zeigen Typen, zeigen Welten – identifizieren fast nebenbei spannende Perspektivwechsel zwischen den Generationen. Fast zwei Jahre Vorbereitung stecken in dieser Ausstellung, eine Zusammenarbeit mit der Gustav Seitz-Stiftung. Ungewollt wird dieses Panorama zum eindringlichen Kommentar zur Corona-Krise: die unmittelbare Begegnung mit jedem Einzelnen ist von unschätzbarem Wert.

Neue Galerieräume am Eugensplatz

Zu sehen ist die Schau noch diesen Freitag, 13. November (10 bis 18 Uhr), und Samstag, 14. November (10 bis 16 Uhr) in den neuen Räumen der Galerie Andreas Henn in der Wagenburgstraße 4 in Stuttgart (am Eugensplatz).