Die Verteilung des Covid-19-Impfstoff wird schwierig. Foto: Sven Simon/Frank Hoermann

Gesundheitsminister Spahn hat die Impfverordnung vorgelegt. Auch steht die EU-Beschaffungspolitik im Fokus. Die wichtigsten Antworten zur Verteilung lesen Sie hier.

Berlin - Am Sonntag nach Weihnachten soll in der EU und somit auch in Deutschland mit der Immunisierung der Bevölkerung gegen das Coronavirus begonnen werden. Dies hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bekräftigt, als er am Freitag die entsprechende Impfverordnung erließ. Sie regelt auf Grundlage einer Empfehlung der Impfkommission beim Robert-Koch-Institut unter anderem die Reihenfolge der gesellschaftlichen Gruppen – abhängig von der zur Verfügung stehenden Menge an Impfstoffen.

Wer wird zuerst geimpft?

Drei Gruppen werden in der Verordnung aufgeführt – die mit höchster, hoher und erhöhter Priorität. Wer 80 Jahre und älter ist wird vom 27. Dezember an über ein System der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu Terminen eingeladen. Unabhängig vom Alter gehören alle Menschen in Alten- und Pflegeheimen zu dieser Gruppe wie auch das medizinische und pflegende Personal, das engen Kontakt zu Covid-Patienten hat. Die erste Gruppe umfasst 8,6 Millionen Menschen.

Wer ist als nächstes dran?

Als zweites wird den zwischen 70- und 80-Jährigen eine Impfung angeboten. Zu der Gruppe gehören auch Menschen mit Behinderung, jene, die sie pflegen oder Mitarbeiter in Testzentren, die mit dem Virus in Kontakt kommen, aber nicht so stark wie auf einer Intensivstation. Dass Hausärzte nur zur zweiten Kategorie zählen, kritisierten deren Vertreter am Freitag scharf. Sie sind damit Polizei- und Ordnungskräften gleichgestellt. Die dritte Gruppe bilden Menschen zwischen 60 und 70, alle Schwerkranke, Lehrerinnen und Lehrer, das Personal in Kitas und des Lebensmittelhandels sowie „Personen, mit prekären Arbeits- oder Lebensbedingungen“ – etwa Obdachlose oder Asylbewerber in Flüchtlingsheimen, wo es bereits mehrfach zu Corona-Ausbrüchen gekommen ist. Zur dritten Kategorie zählt sich wie andere Personen in kritischen Infrastrukturen oder den Verfassungsorganen auch Minister Spahn.

Wie trennscharf wird eingeladen?

Da es sich bei der Impfung nur um ein Angebot handelt, stellte Spahn klar, dass die Behörden „nicht auf den letzten“ einer Gruppe warten würden, bevor sie Einladungen an die nächste aussprechen. Es werde teils „fließende Übergänge“ geben.

Erhalten Geimpfte Sonderrechte?

Wer früh geimpft wird und damit die Solidarität der Gesellschaft erfährt, soll diese nach Spahns Ansicht zurückgeben, indem er keine Sonderrechte einfordert. Die Regeln zu Abstand, Hygiene und Alltagsmaske gelten daher auch für Geimpfte vorerst weiter, bis eine gesellschaftliche Immunisierung eintritt. Im Privatrecht ist laut Spahn eine unterschiedliche Behandlung aber nicht ausgeschlossen.

Wann folgt der große Rest?

Anders als die Empfehlungen der Kommission sortiert Spahns Verordnung nicht alle Bürger in insgesamt sechs Gruppen ein. Sie beschränkt sich zunächst auf die drei mit dem größten Risiko. Später soll die Verordnung angepasst werden. Ziel ist, im Sommer auch in Hausarztpraxen impfen und damit die ganze Bevölkerung erreichen zu können. Der genaue Zeitpunkt hängt von der Impfstoffliefermenge ab.

Reichen die Impfstoffdosen?

Zu Beginn reichen sie nicht, daher die Priorisierung. Nach der Zulassung für Biontech stehen Deutschland in den letzten Dezembertagen 400 000 Dosen zur Verfügung, für Januar drei Millionen, im ersten Quartal insgesamt elf bis 13 Millionen. Würde am 12. Januar auch der Impfstoff von Moderna zugelassen, wären es mehr.

Hat die EU zu wenig besorgt?

Der Spiegel berichtete am Freitag, die EU-Kommission habe von Biontech und Moderna 460 statt 800 Millionen Dosen vorbestellen können. Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann nannte dies „besorgniserregend“. Wenn Europa und Deutschland nicht genug Impfstoff besorgen könnten, habe auch die Bundesregierung „klar Fehler gemacht“. Karin Maag, Gesundheitssprecherin der Unionsfraktion, verteidigte das Vorgehen: „Der Flaschenhals ist nicht die Zahl der Vorbestellungen, sondern die Produktionskapazität.“ Diese werde unter Hochdruck ausgebaut, weshalb die Versorgung „unabhängig von Vorverträgen” gelingen werde.

Mit harschen Worten rügte der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese die Debatte. „Ich bin die Klugscheißerei und das dümmliche EU-Bashing in Deutschland wirklich leid“, sagte er: „Wer angeblich schon im September wusste, dass der sechs Mal teurere, auf einem ganz neuen Verfahren beruhende Biontech-Impfstoff der erste und beste sein würde, kann sofort als oberster medizinischer Berater der EU-Kommission anfangen.“ Brüssel habe, so Liese, gut verhandelt und einen viel besseren Preis als die USA und auch die Haftung der Hersteller bekommen.