Das Gesprächsthema Corona sorgt für schlechte Laune und Zoff (Symbolbild). Foto: /Wavebreak Media LTD

Sollen beim Treffen mit den Großeltern FFP2-Masken getragen werden? Müssen sich auch geboosterte Verwandte vor dem Besuch testen lassen? Weihnachten in der Pandemie kurz vor der fünften Welle birgt Konfliktpotenzial. Was raten Psychologen?

Hannover - Konflikte über das angemessene Verhalten in der Pandemie können Familien entzweien und Freundschaften zerstören. Einer repräsentativen Umfrage zufolge sind 71 Prozent der Bundesbürger wegen Corona schon einmal mit Verwandten oder Bekannten in Streit geraten, 56 Prozent sogar mehrmals. Dabei komme es bei 17- bis 49-Jährigen häufiger zu Auseinandersetzungen als bei 50- bis 70-Jährigen, teilte die KKH Kaufmännische Krankenkasse in Hannover mit. Sie hatte die Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut Forsa in Auftrag gegeben.

Expertin rät zu Kompromissen

Das größte Konfliktpotenzial hat demnach die Impfung gegen Covid-19. Bei 85 Prozent der Befragten, die bereits Corona-Streitigkeiten erlebten, ging es um die Frage der Impfpflicht oder um Impfverweigerer.

„Häufig ist man sich in der Kernfamilie einig, aber es gibt große Diskrepanzen etwa zwischen Geschwistern, Eltern und erwachsenen Kindern oder im Freundeskreis“, sagte Kristina Schütz von der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) der dpa. Um den großen Krach beim Verwandtentreffen unterm Weihnachtsbaum zu verhindern, rät die Psychologin, „unbedingt vorher Absprachen zu treffen und Kompromisse zu finden“. Gerade älteren Menschen mit einem hohen Sicherheitsbedürfnis sollte man entgegenkommen, sagte Schütz, die eine psychotherapeutische Praxis im niedersächsischen Lehre hat.

„Sind alle angespannt in der Pandemie“

Generell gelte für die Festtage: „Sparen Sie konfliktbeladene Themen aus, reduzieren Sie übertriebene Erwartungen!“ Ein perfektes Weihnachten in vollkommener Harmonie wie in der Fernsehwerbung sei unrealistisch. „Wir sind alle angespannt in der Pandemie.“ Auch KKH-Ärztin Aileen Könitz plädiert für gegenseitige Toleranz und Achtung voreinander: „Entscheidend ist es, Verständnis für das Verhalten und die Sorgen anderer zu haben.“

Der Umfrage zufolge sind Impfstoffe ebenfalls ein häufiger Anlass für Zoff, vor allem deren Wirksamkeit oder Nebenwirkungen (64 Prozent). 59 Prozent berichteten, über Kontaktbeschränkungen sowie Zugangsregelungen (2G, 2G plus, 3G) gestritten zu haben. Impfungen für Kinder sowie die Impf-Reihenfolge scheinen dagegen deutlich weniger konfliktträchtig zu sein (31 beziehungsweise 18 Prozent).

Auswirkungen auf die Gesundheit

Heftige Meinungsverschiedenheiten mit nahe stehenden Menschen können negativen Stress auslösen und krank machen, insbesondere wenn die Konflikte über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen bleiben. In der Folge könne es zu Kopf- und Rückenschmerzen, Erschöpfung bis hin zu Magen-Darm- sowie Herz-Kreislauf-Beschwerden kommen, warnt die Krankenkasse.

Die Pandemie kann auch psychische Krankheiten verstärken oder Rückfälle auslösen. „Eine Zeitlang hat die Impfung Menschen das Gefühl eines großen Handlungsspielraums gegeben“, sagte Therapeutin Schütz. „Die neue Omikron-Variante bringt jetzt wieder mehr Unsicherheiten, Ängste und Konflikte in Beziehungen.“