Hat sich nun auch für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen: der kommende Kanzler Olaf Scholz (SPD). Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht aus. Noch bleibt sie aber Zukunftsmusik. Über ihre Einführung würde frühestens erst im Februar auf Bundesebene abgestimmt werden.

Berlin - Nachdem sich auch Olaf Scholz (SPD) für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen hat, ist das Thema in aller Munde. Wir beantworten die wichtigesten Fragen.

Warum ist die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht eine Gewissensentscheidung?

Es wird von den Befürwortern der Freigabe der Abstimmung im Bundestag angeführt, dass es sich schließlich um einen Eingriff in das grundgesetzliche Recht auf körperliche Unversehrtheit handele, also ein ausgesprochen hohes Rechtsgut. Als unter dem Gesundheitsminister Jens Spahn zum März 2020 ein Gesetz erlassen wurde, nachdem alle Kinder beim Eintritt in Kindergarten oder Schule eine Masern-Impfung haben müssen, hatte das die große Koalition aber auf „normalem“ gesetzgeberischen Weg getan. Es kam keine Debatte über eine Gewissensentscheidung auf, obwohl es sich immerhin um Kinder handelte. CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich hält die vom künftigen Justizminister Marco Buschmann (FDP) ins Spiel gebrachte und vom künftigen Kanzler Olaf Scholz offenkundig akzeptierte Freigabe der Abstimmung „für eine Bankrott-Erklärung“. Weil sich „Scholz nicht gegenüber der FDP durchsetzen kann und Gefahr läuft keine eigene Mehrheit dafür zu bekommen, muss er diesen Weg einschlagen“. Die Impfpflicht sei nicht mit Fragen wie Sterbehilfe oder Organspende zu vergleichen, die tatsächlich zur Aufhebung des Koalitionszwanges geführt hatten.

Wäre eine allgemeine Impfpflicht im Bundestag mehrheitsfähig?

Wahrscheinlich schon. Anders als die FDP dürften SPD und Grüne mit großer Mehrheit dafür sein. Die Union wird politisch alles vermeiden wollen, um in dieser Frage in die Nähe der AfD zu rücken, die die Impfpflicht sicher ablehnen wird. Abzuwarten bleibt die Corona-Situation zum Zeitpunkt der Abstimmung, der erst im kommenden Jahr, vermutlich im Februar oder März, liegen würde. Gehen bis dahin die Inzidenzen merklich zurück, wird die Frage aufkommen, ob dieses äußerste Mittel notwendig und noch angemessen ist.

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Wie soll eine allgemeine Impfpflicht durchgesetzt werden?

Marco Buschmann hat gerade erst klargestellt, dass mit Sicherheit niemand zur Impfung physisch gezwungen werde. Darüber gibt es auch einen breiten Konsens unter Verfassungsrechtlern. Wahrscheinlich ist, dass ein Unterlaufen der Impfpflicht ein Ordnungswidrigkeit darstellte, die mit einem Bußgeld geahndet würde. Die Höhe wäre vom Parlament zu klären. Unklar ist, das Bußgeld einmal zu entrichten wäre oder jedes Mal, wenn die betreffende Person bei einer Kontrolle auffällig würde. Klar ist: Wenn die Buße nicht spürbar ist, hätte die Impfpflicht kaum einen Effekt.

Sind Kompromisslösungen denkbar?

Durchaus. Es könnte gut sein, dass Gruppenanträge darauf abzielen, die Impfpflicht nur für besondere Alterskohorten einzuführen, etwa für alle Personen über 70 Jahre. Auch das ist vermutlich stark abhängig von der Corona-Situation – aber auch der Impfquote - zum Zeitpunkt der Abstimmung.

Gehen die Impfquoten weiter nach oben?

Zu beobachten ist, dass sich doch wieder mehr Menschen erstmals impfen lassen. In der vergangenen Woche lag die Zahl immerhin bei einer halben Million. 68,6 Prozent der Gesamtbevölkerung sind derzeit vollständig geimpft. Derzeit werden täglich 660 000 Impfungen verabreicht. Das ist viel, aber längst nicht genug, um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, das Olaf Scholz ausgegeben hat: Er möchte bis Weihnachten 30 Millionen zusätzlicher Impfungen sehen. Das scheint derzeit schwer zu realisieren.

Was bedeutet es, wenn künftig Zahnärzte und Apotheker impfen dürfen?

Die Ampelparteien planen offenbar diese beiden Gruppen in die Impfkampagne mit einzubeziehen. Die Ärzteschaft sieht die Einbeziehung der Apotheker sehr kritisch. Die Apothekerschaft weist ihrerseits darauf hin, dass die Impfung in Apotheken jedenfalls kein Mittel zum Brechen der aktuellen Corona-Welle sein kann. Das liegt vor allem daran, dass der Gesetzgeber sicher Schulungen verpflichtend vorschreiben wird – und die kosten Zeit. Wenn es soweit ist, könnte es aber durchaus sein, dass das niederschwellige Angebot dazu führt, dass sich Zögernde vielleicht doch noch impfen lassen, nach dem Motto: Gelegenheit mach Impfung.

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Warum kommt plötzlich der Impfstatus ins Gerede?

Viele Studien zeigen, dass der Impfschutz auch bei vollständiger Impfung etwa nach sechs Monaten deutlich nachlässt. Das erklärt auch die nun häufiger feststellbaren Impfdurchbrüche. Wer also etwa bei der Arbeit oder beim Eintritt in ein Lokal ein Impfzertifikat vorzeigt, dass deutlicher älter ist, handelt derzeit zwar rechtlich einwandfrei, setzt sich und andere aber möglicherweise einem Risiko aus. Deshalb wird nun diskutiert, ob und ab wann die Zertifikate mit dem Nachweis einer Booster-Impfung erneuert werden müssen.