Schlange stehen für den Piks. So sah es vor dem Impfzentrum im Milaneo aus. Foto: Lg/Leif Piechowski

Einkaufen und impfen – das kommt an. Auch die 2-G-Regel spielt bei der Entscheidung für den Piks eine Rolle.

Stuttgart - Donato Silano hat es sich auf dem Boden mit einem Buch gemütlich gemacht: „Die Mitternachtsbibliothek“ von Matt Haig – eine Hommage an das Leben. Das passt an diesem Tag besonders. Silano wird nicht mehr allzu lange warten müssen. Er war früh dran und hat nur noch wenige Impfwillige vor sich. Hinter ihm hat sich im Milaneo kurz nach 13 Uhr schon eine lange Schlange aufgebaut – der Andrang auf das Impfangebot in dem Einkaufszentrum ist groß.

Wer sich piksen lassen wollte, der brauchte also Geduld an diesem Samstag. Es war auch ein langer Weg für Donato Silano, den Sozialarbeiter aus Esslingen, bis er sich für diesen Schritt entschieden hat. Offen redet er über seine Ängste. Er hatte an seinem Arbeitsplatz schon einmal einen Impftermin mit Johnson & Johnson. „Dann wurde der Impfstoff in Skandinavien abgesetzt, und das hat mich dann verunsichert“, sagt der 37-Jährige. Hinzu kommt, dass sein Vater vor 30 Jahren an einer Herzmuskelentzündung gestorben ist. Diese gefährliche Nebenwirkung könne ja auch beim Impfen auftreten, fürchtet er.

„So einen Andrang hatten wir seit dem 5. November noch nie“

„Es war ein Auf und Ab im Abwägen von Argumenten“, sagt Silano. „Aber ich will auch mal wieder zum Klettern und in die Sauna und auch nicht überall hören, dass ich der Ungeimpfte bin.“ Hinzu komme noch sein Beruf, bei dem er viele Kontakte habe.

Unter den Wartenden sind an diesem Morgen einige junge Männer, die sich wegen der 2-G-Regel für die Impfung entschieden haben und es gut finden, dass man bei dem #Ärmelhoch-Angebot Shoppen und Impfen miteinander verbinden kann. Bisher zählten sie zur Gruppe der noch Unentschlossenen, die den Aufwand fürs Impfen einfach zu groß fanden.

Das bestätigt auch Kathinka Würkert aus dem Gesundheitsteam von Arzt Hans-Jörg Wertenauer. „So einen großen Andrang hatten wir seit dem 5. November noch nie. Wir freuen uns über jeden, der da ist“, sagt die Studentin. Kathinka Würkert ist eine von fünf Assistentinnen und hat viel Erfahrung im Umgang mit Wartenden. Schließlich ist sie schon seit eineinhalb Jahren mit der Impfambulanz unterwegs. Sie hofft, dass sich noch möglichst viele bisher Unentschlossene für den Piks entscheiden.

Rund 170 Menschen werden an diesem Tag geimpft

Geduldig hilft Kathinka Würkert beim Ausfüllen der erforderlichen Unterlagen, fragt nach, wer bereits einen Termin gebucht hat und nach vorne rücken kann. Es geht nur langsam voran, und Kathinka Würkert weiß, dass die Stimmung dann auch einmal kippen kann. Weil der Andrang so groß ist, verlängert das Team die Impfzeiten bis 20 Uhr. Am Ende dieses Tages haben hier rund 170 Menschen einen Piks erhalten. „Einige mussten wir auch wegschicken“, sagt Würkert. Wer nicht zum Zug gekommen ist, kann von Montag bis Donnerstag auch das Impfangebot in der Klett-Passage in den Räumen der BW-Bank in Anspruch nehmen.

Eine junge Familie aus Köngen hat Glück gehabt. Das Milaneo war für sie allerdings nicht die erste Anlaufstelle. Sie haben es schon auf den Fildern probiert. Die langen Schlangen im Freien haben sie jedoch abgeschreckt. Hier warte man wenigstens im Warmen, sagen sie. Schließlich ist die Familie mit Baby Milena unterwegs. Die Kleine ist auch der Grund, weshalb sich die Mutter erst jetzt impfen lässt. „In der Stillzeit war mir das zu unsicher“, sagt sie.

Auch die 14-jährige Beyza Özdir aus Stuttgart bekommt an diesem Tag ihre erste Impfung mit Biontech. Ein Drittel ihrer Klasse sei inzwischen geimpft, sagt die Jugendliche. „Ich finde das wichtig und habe vor allem Angst vor den Langzeitfolgen von Covid, die auch junge Menschen treffen können.“

„Es ist doch für uns alle hier ein Privileg, dass wir den Impfstoff haben“

Rund ein Drittel der Wartenden, schätzt Kathinka Würkert, holt sich am Samstag die sogenannte Booster-Impfung ab, ist also schon zweimal vollständig geimpft und will nun durch die dritte Impfung möglichst gut geschützt sein. Dazu zählt auch Monika Beck aus Stuttgart. „Ich gehöre nicht zu den Impfverweigerern“, betont die Stuttgarterin und spricht darüber, dass sie es „grauenhaft findet, wenn sich Pflegepersonal nicht impfen lässt“.

Die 72-Jährige weiß um die große Verantwortung, die speziell Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegeheimen haben. Sie ist selbst regelmäßig als Betreuerin in einem Altenheim im Einsatz. Sie findet es beängstigend, dass viele sich nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus Überzeugung einer Impfung verweigerten. „Rationale Erklärungen dafür gibt es nicht. Es gibt andere Länder, die haben eine viel höhere Impfquote“, sagt die Rentnerin.

Annika, eine Erzieherin aus Stuttgart, holt sich ebenfalls die Auffrischimpfung ab. Sie hat kein Verständnis für Kolleginnen, die sich einer Impfung verweigern. „Es ist doch für uns alle hier ein Privileg, dass wir den Impfstoff haben. Das ist in den ärmeren Ländern ganz anders“, sagt sie.