Regine Sanzenbacher impft als eine von drei Ärztinnen in der Korntaler Stadthalle. Vor dem Impfzentrum stehen die Impfwilligen geduldig an. Mehr Fotos finden Sie in der Bildergalerie. Klicken Sie sich durch. Foto: Simon Granville

Die drei Ärztinnen der Familienpraxis Korntal verimpfen zurzeit 1000 Dosen von Johnson & Johnson. Für einen Termin reisen die Impfwilligen teilweise von weit her in den Korntal-Münchinger Stadtteil – viele tun das, um mehr Freiheiten zu bekommen.

Korntal-Münchingen - Die Mittagspause der Ärztin Sabine Otlinghaus und ihres Teams ist noch nicht vorbei, da warten bereits die ersten Leute vor der Korntaler Stadthalle geduldig auf ihren Piks. Zahlreiche Impfwillige sind dafür sogar aus anderen Bundesländern angereist, etwa aus Bayern. Noch bis einschließlich Samstag ist die Korntal-Münchinger Veranstaltungsstätte auch ein Impfzentrum. 1000 Dosen von Johnson & Johnson stehen zur Verfügung – was viele gern nutzen und sich im Internet anmeldeten.

„Damit ich wieder fort kann, zum Beispiel ins Ausland reisen“, sagt ein älterer Korntaler. Die Impfaktion finde er gut, zumal er seit Jahren nicht mehr beim Arzt gewesen sei und keinen Hausarzt habe. Auch ein junger Mann ist weniger aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus nach Korntal gefahren. Er wolle der Testerei und möglichen erneuten Einschränkungen im Herbst entgehen.

Gut sechs Wochen lang hat sich die Familienpraxis Korntal auf ihre Impfaktion vorbereitet. Die fünf Arzthelferinnen unterstützen das Projekt ebenso wie Familienmitglieder, drei Lehrlinge aus der Stadtverwaltung und weitere Helfer. „Wir haben Impfstoff, sind in unserer Praxis aber räumlich begrenzt“, sagt Sabine Otlinghaus. Sie führt die Familienpraxis mit Regine Sanzenbacher und Kristina Botero. Da sie zu dritt sind, erhalten sie die dreifache Menge Impfstoff. Jeden Dienstag – der Impftag – piksen zwei von ihnen 200 bis 220 Personen. „Wir wollen gern mehr schaffen“, begründet Sabine Otlinghaus die Impfaktion.

Digitales Impfzertifikat macht Wartebereich attraktiv

Das gelingt ihnen in der geräumigen Stadthalle problemlos. Am Donnerstag und am Freitag impfen die drei Ärztinnen pro Viertelstunde zwölf Personen. Am Samstag sind eine Ärztin sowie der Korntaler Chirurg Hartmut Dietrich vor Ort, der zusätzlich seinen Impfstoff zur Verfügung stellt. In der Stadthalle gibt es nun eine Anmeldung, einen Wartebereich, drei Arztzimmer, wo die Aufklärung und die Impfung erfolgen, und einen Raum für die Nachbeobachtung.

Nach dem Piks sollen die Impflinge noch 15 Minuten zur Beobachtung dableiben. In der Zeit stellt ihnen der Apotheker Tobias Wallrauch ein digitales Impfzertifikat aus. „Das macht den Wartebereich attraktiv“, sagt Sabine Otlinghaus und lacht. In der Familienpraxis hatten schon vor der Aufhebung der Priorisierung alle impfberechtigten Patienten einen Piks bekommen. Sabine Otlinghaus spricht von einer hohen logistischen Anforderung, die zweiten Impftermine zu organisieren, schließlich müssen je nach Impfstoff verschiedene zeitliche Abstände eingehalten werden.

Wer sich in der Stadthalle impfen lässt, dem reicht ein Piks. Gleichwohl krempeln nicht alle Angemeldeten die Ärmel hoch. So seien ein paar unter 18 Jahren gewesen oder hätten bereits eine Impfung erhalten – oder zumindest einen Impftermin woanders ergattert. „Zwei Personen mussten wir aus gesundheitlichen Gründen ablehnen“, sagt Sabine Otlinghaus am Donnerstagnachmittag.

Am Abend kommt die Genugtuung

Die meisten Impfwilligen in der Stadthalle seien zwischen 20 und 40 Jahre alt, sagt Regine Sanzenbacher. Sie würden kurz vor dem Sommerurlaub ihre Freiheiten wieder haben wollen oder seien Studenten, die wieder zur Uni wollten. Sie habe aber auch Menschen zwischen 40 und 50 geimpft, die darüber sehr glücklich und dankbar seien. Diese Altersgruppe falle beim Impfen durchs Raster, stellt Regine Sanzenbacher fest.

Ob wie angedacht im Juli eine zweite Impfaktion stattfindet, ist derzeit noch unklar. „Johnson & Johnson, den wir für diese Aktion gesammelt haben, gibt es gerade nicht“, sagt Regine Sanzenbacher. Dafür sei Biontech zurzeit nicht mehr so knapp, ergänzt Sabine Otlinghaus.

Ehe die Ärztinnen losimpfen können, muss der Impfstoff aus den Fläschchen in die Spritzen und dann ab in den Kühlschrank. Das erledigt zum Beispiel die medizinische Fachangestellte Silke Wegfahrt. Unermüdlich zieht sie aus Fläschchen für Fläschchen immer jeweils fünf Dosen. Nach der Impfung hätten ein paar Personen Kreislaufprobleme gehabt, erzählt Silke Wegfahrt. Für den Notfall seien sie entsprechend ausgestattet, auch ein Defibrillator von der Stadt liege griffbereit. Impfen sei stressig, sagt Silke Wegfahrt – doch am Abend empfinde man Genugtuung, einen weiteren Schritt im Kampf gegen das Coronavirus vorangekommen zu sein.