Das Gebäude direkt neben der Stiftskirche ist vom Land an einen Investor verkauft worden. Er will das denkmalgeschützte Haus bis Ende 2017 sanieren. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das von Kammerer und Belz entworfene Ex-Gebäude der Commerzbank direkt neben Stiftskirche gehörte der Landesstiftung. Jetzt ist es an einen Investor verkauft worden. Die Evangelische Kirche ist verärgert.

Stuttgart - Prinzenbau, Fruchtkasten, Schillerplatz, Stiftskirche – die Umgebung des Gebäudes Am Fruchtkasten 3 kann sich sehen lassen. Doch auch das mehrstöckige, mit Preisen überhäufte Bürohaus, das versteckt in einer engen Gasse liegt und vom berühmten Architekturbüro Kammerer, Belz und Partner 1972 für die Commerzbank gebaut wurde, ist ein Kulturdenkmal, wenn auch ein „modernes“. In seiner innovativen Metall-Glasfassade spiegelt sich sehenswert die historische Umgebung. Die weitgehend unbekannte und im Abseits liegende Architekturperle hat jetzt den Besitzer gewechselt – von der Landesstiftung Baden-Württemberg zu der Hess Investment-Gruppe aus Amriswil in der Schweiz, Kaufpreis: 4,8 Millionen Euro.

Evangelische Kirche will Erdgeschoss nutzen

Dieses Immobiliengeschäft, obgleich vom Landtag abgesegnet, erregt bei einem ortskundigen Nachbarn Unmut: der evangelischen Stiftskirchengemeinde. Kirchenpfleger Hermann Beck, der Verwaltungschef des evangelischen Kirchenkreises Stuttgart, findet das Verhalten des Landes „sehr fragwürdig“. Seit Jahren schon hat die evangelische Kirche ihr Interesse bekundet neben der zentralen Kirche des Protestantismus in Württemberg „eine Art Schaufenster und Präsentationsfläche“, wie Beck sagt, einzurichten. Das leer stehende Gebäude erschien dafür ideal. „Wir haben gegenüber dem Finanzministerium deutlich unser Interesse an der Nutzung des Erdgeschosses bekundet“, betont Beck – und dies schriftlich und mehrfach mündlich hinterlegt. Dabei gewann Beck den Eindruck, dass man dies im Ministerium „sehr wohlwollend“ aufgenommen habe. Umso größer ist nun die Enttäuschung, dass das Gebäude verkauft wurde – ohne die Kirche zu informieren.

Zur Vorgeschichte: Die Baden-Württemberg-Stiftung hatte 2013 von der Commerzbank „im Paket“ die beiden Gebäude Königstraße 11 und 15 sowie das Haus Am Fruchtkasten 3 erworben. Dafür machte die BW-Stiftung fast 42 Millionen Euro locker. Das Gebäude Am Fruchtkasten, so eine Sprecherin des Finanzministeriums, habe „für die Stiftung und für Zwecke des Landes nicht rentabel saniert und betrieben werden“ können. Diese belastbare Kostenschätzung sei erst Ende 2015 vorgelegen. Die Immobilie sei dann im April 2016 an die Firma Esco Projekt AG veräußert worden, einer hundertprozentigen Tochter der Hess Investment. Allerdings hatte die Stiftung in den drei Jahren des Leerstands auch nicht viel verdient: Es gab einige Zwischennutzungen – etwa durch diealternative Palermo-Galerieoder die Weindorf-Geschäftsstelle, der erste Stock wurde von der Modekette New Yorker genutzt, jährliche Miete laut Land: 95 926,92 Euro.

Debatte im Landtag über den Preis

Bevor der Finanzaussschuss am 7. Juli den Verkauf absegnete, gab es ausweislich der Landtagsprotokolle, die dieser Zeitung vorliegen, im Ausschuss allerdings kritische Nachfragen – vor allem über die Höhe des Verkaufspreises, der auch einem Vertreter des Rechnungshofes „angesichts eines Bodenwertes von elf Millionen Euro etwas niedrig“ erschien. Dem widersprach das Finanzministerium. Aufgrund der zurückgesetzten Lage in dem Zwickel, der baulichen Mängel und der vermutlich 15 Millionen Euro teuren Sanierung, zu der eine zweite innere Fassade und ein zweiter Rettungsweg für die oberen Geschosse gehöre, errechne sich ein Bodenwert von 5,1 Millionen Euro. Insofern sei dies ein „sehr guter Preis“.

Die Investorengruppe zahlt nun 4,8 Millionen Euro, zwei andere Interessenten boten laut Land eine und rund drei Millionen Euro. Die Hess AG will das Gebäude bis Ende 2017 sanieren. „Für uns war die zentrale Lage in der Stadt wichtig“, und dass es sich um ein Aushängeschild der Architektur handelt“, sagt Geschäftsführer Klaus Morlock. Man werde in Abstimmung mit dem Denkmalschutz die Sanierungsarbeiten planen. Anfang 2018 könnten wohl die ersten Mieter einziehen. In den oberen Stockwerken kann er sich Agenturen, Architekturbüros oder Medienschaffende vorstellen, die das Gebäude „wie wir cool finden“. Im Erdgeschoss denkt Morlock an Einzelhandel oder Gastronomie. Vom Interesse der evangelischen Kirche habe er erst durch die Zeitung erfahren, das Ministerium habe das nicht weitergegeben.

Die Kirche habe kein Kaufangebot vorgelegt, sagt eine Sprecherin des Finanzministeriums. In einem Gespräch Anfang 2014 sei es lediglich um eine interimsweise Nutzung des Erdgeschosses gegangen. Da auch dafür hätte saniert werden müssen, „wurden die Gespräche mit der Kirchengemeinde auch nicht weitergeführt“.

Kirchenpfleger Beck ist auch deshalb frustriert, weil die Politik in Sonntagsreden über die Bedeutung öffentlicher Plätze und abseits des Konsums zugänglicher Einrichtungen rede. In diesem Fall habe die Kirche sich dafür engagieren wollen, doch weder die Landesstiftung, die doch übergeordnete Ziele verfolge, noch Stadt und Land habe das interessiert. „Da wurde eine Chance vertan, das ist erschreckend“, sagt er.