Wie bewerten die Stuttgarter die Wohnsituation in ihrem Stadtbezirk? Die Bewertung der Teilnehmer unserer Umfrage Heimat-Check fällt in der Kategorie Immobilienmarkt eindeutig aus.
Es darf nicht überraschen, dass die Situation am Immobilienmarkt, der Eigentum ebenso berücksichtigt wie den Mietwohnungsbau, in Stuttgart besonders kritisch bewertet wird. Die Bürgerumfrage der Stadtverwaltung liefert regelmäßig vergleichbare Erkenntnisse wie der Heimat-Check unserer Redaktion, bei dem die Teilnehmer auf die Fragen, wie sie die Höhe der Mieten und das Wohnungsangebot sowie die Kaufpreise bewerten, eindeutig Stellung bezogen.
Das Resultat ist ernüchternd: Der Immobilienmarkt wird als einzige Kategorie schlechter als mit dem Wert vier (von zehn) benotet. Die bescheidenen Bewertungen in den 23 Stadtbezirken liegen dabei dicht beieinander. So liegt der Spitzenwert von 4,63 für die Immobiliensituation (in Stammheim) deutlich unter dem Gesamtschnitt über alle abgefragten Themengebiete hinweg, der 5,84 beträgt. Auffällig ist, dass hinsichtlich der Immobiliensituation Stammheim zwar Platz eins belegt, im Vergleich der Stadtbezirke aber nur Rang 18 belegt, also insgesamt eher negativ bewertet wird.
Dramatischer Abstand zum Thema Sauberkeit
Deutlich besser, nämlich als Neunter im Vergleich der Bezirke, schneidet Stuttgart-Mitte ab, das mit dem niedrigsten aller ermittelten Werte von 2,97 das Schlusslicht beim Immobilienmarkt bildet. Als Problem werden Leerstand einerseits und Wuchermieten andererseits moniert, die sich nur Reiche leisten könnten. Eklatant ist der Abstand des Immobilienmarkts-Gesamtwerts von 3,95 zur absoluten Spitze, die der Bereich Sauberkeit mit 7,09 aufweist.
Stuttgart hat einen vom Gesetzgeber anerkannten angespannten Wohnungsmarkt. Deshalb gilt eine verschärfte Mietpreisbremse bei Neuvermietungen, eine Kappungsgrenze bei bestehenden Mietverhältnissen und eine höhere Kündigungssperrfrist bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Für die Not gibt es viele Ursachen, wie den starken Zuzug bei gleichzeitigem Verzicht auf öffentlich geförderten Wohnungsbau. Gleichzeitig ist der individuelle Wohnraumbedarf gewachsen, außerdem lebt mehr als die Hälfte der 610 000 Stuttgarter allein. Deshalb fehlen jetzt etwa 20 000 Wohnungen. Das gilt sowohl für Eigentum wie auch für Mietwohnungen.
Wohnungsdebatte in Stuttgart hat Fahrt aufgenommen
Bis 2033 solle das kompensiert werden, hat der Gemeinderat Ende April grundsätzlich beschlossen und sich zudem entschieden, der hauseigenen Wohnungsbautochter SWSG eine 200 Millionen Euro umfassende Finanzspritze zu gewähren. Die Wohnungsdebatte hat zuletzt Fahrt aufgenommen, nachdem erst die EnBW mitteilte, ihr Bauvorhaben mit 800 Einheiten im Stuttgarter Osten aus finanziellen Erwägungen auf Eis legen zu müssen, und dann die Adler Group das Eiermann-Areal in Vaihingen mit 1400 geplanten Wohnungen auf ihre Verkaufsliste setzte. Die Stadt hat für diese Areale zum Teil die Möglichkeit, Vorkaufsrechte wahrzunehmen. Das wird gerade ausgelotet.
In der aktuellen Krise hat sich die Bautätigkeit verringert. Den starken Rückgang gab es aber bereits im vergangenen Jahr. In den letzten mehr als 40 Jahren gab es noch nie so wenige Wohnungen in Neubauten wie 2022, nämlich genau 775. Gegenüber dem Vorjahr beträgt der Rückgang 41,3 Prozent. Schlechter als 2022 waren die Neu- und Ausbauzahlen zuletzt 2003, als die Wirtschaft in Deutschland schrumpfte. Die Aussichten sind trübe: Erstmals seit 2005 ist auch die Zahl der neu genehmigten Wohnungen unter die 1000er-Marke gefallen. Das Baurechtsamt stellte 2022 für 909 Vorhaben eine Genehmigung aus (minus 32,6 Prozent).
Stuttgart kennt nur teure Lagen
Stuttgart zählt mit einer Markungsfläche von lediglich 207 Quadratkilometern und nachteiliger Kessellage, die viel freie Flächen an den Hängen und auf der Hochebene zur Kaltluftproduktion und deren Transport ins Tal erfordert, zu den teuersten Pflastern in der Republik. Eigentumswohnungen im Wiederverkauf kosteten im Jahr 2022 durchschnittlich 4925 Euro je Quadratmeter Wohnfläche, neue rund 8200 Euro je Quadratmeter. Die Zeiten seien anspruchsvoll, betont der Landesbank-Stratege Martin Güth. Immobilien würden als Kapitalanlage unattraktiv, „aber die Preise sinken nicht genug, als dass Immobilien erschwinglich würden“. Wohnraum werde immer knapper, das treibe die Mieten in die Höhe, allerdings auch nicht so, dass die Baukonjunktur neuen Schwung erhalte. „Der Schmerz am Wohnungsmarkt bleibt hoch“, bilanziert Güth.
Hohe Mieten in der Landeshauptstadt Stuttgart
Das spüren viele Mieter: Das Niveau des Stuttgarter Mietspiegels ist zwischen 2020 und 2022 um 6,8 Prozent auf 11,04 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche gestiegen (Nettokaltmiete). Die durchschnittliche Angebotsmiete der online am Markt angebotenen Wohnungen lag im ersten Halbjahr 2022 bei 14,70 Euro je Quadratmeter nettokalt. „Hohe Mietpreise machen es besonders Haushalten mit kleinen und mittleren Einkommen schwer, passenden Wohnraum im Stadtgebiet zu finden“, sagt Matthias Fatke, Leiter des Statistischen Amtes. Fast jeder fünfte Haushalt, der in einer Mietwohnung lebe, müsse mehr als 40 Prozent des Nettoeinkommens für die Miete aufwenden.