Die Häuserzeile in der Nördlichen Ringstraße ist in die Jahre gekommen. Einige Häuser gehören noch der Wohnbau, einige wechseln nun erneut den Besitzer. Foto: Horst Rudel

Vor zehn Jahren hat die Göppinger Wohnbaugesellschaft 388 Wohnungen an einen britischen Pensionsfonds verkauft. Jetzt wechseln sie erneut den Besitzer. Der neue Eigentümer ist riesig – und nicht unumstritten.

Göppingen - Nein, von einem Ausverkauf könne natürlich keine Rede sein. Das war dem Göppinger Oberbürgermeister Guido Till wichtig, als er im Juli 2006 einen Millionendeal öffentlich machte, der schätzungsweise 1000 Göppingern auf einen Schlag einen neuen Vermieter bescherte. Soeben hatte die städtische Wohnbaugesellschaft (WGG), verteilt über das gesamte Stadtgebiet, 388 Wohnungen an einen britischen Pensionsfonds namens Grainger verkauft, etwa 16 Prozent des gesamten Bestandes der WGG. Für die Mieter ändere sich nichts, versicherte der OB, der damals noch der SPD angehörte. Man habe eine umfangreiche Sozialcharta vereinbart, die Verwaltung der Wohnungen besorge weiterhin die WGG. Und für den Fall, dass alle Stricke reißen sollten, habe man sich das Vorkaufsrecht gesichert.

Das Vorkaufsrecht sticht nicht

Zu dumm, dass eben dieses Vorkaufsrecht nun, da die Wohnungen nach zehn Jahren tatsächlich wieder ihren Besitzer wechseln, nicht greift. Das jedenfalls ist nicht nur die Rechtsauffassung der Vonovia – dem Unternehmen, das die Wohnungen übernimmt –, sondern auch der städtischen Rechtsabteilung. Grainger veräußerte nämlich nicht die Immobilien, sondern sein gesamtes deutsches Tochterunternehmen. Man wolle sich ganz auf den heimischen Markt konzentrieren, hieß es aus London. Damit aber laufen die Göppinger Absicherungen ins Leere. Die Änderungen vollzögen sich ja nur im Handelsregister, nicht aber in den Grundbüchern, erklärt der Sprecher der Stadt, Olaf Hinrichsen.

Vonovia ist nicht irgendein Eigentümer. Das Unternehmen mit Sitz in Bochum gilt mit einem Bestand von mehr als 350 000 Wohneinheiten als größter Wohnimmobilienkonzern in Deutschland. Der Ruf innerhalb der Branche und bei Mietern ist allerdings nicht der beste, was auch daran liegt, dass das Unternehmen jahrelang im Besitz von Finanzinvestoren war. Es gehe zu viel um Profitmaximierung. Die Interessen der Mieter würden hingegen sträflich vernachlässigt, kritisierte der Deutsche Mieterbund.

Ein neuer Name, ein neues Image?

Seit 2013 ist das Unternehmen an der Börse notiert. Seither versuchen die Verantwortlichen, das alte Image abzuschütteln. Im Zuge der Übernahme eines Konkurrenten wurde sogar ein neuer Name eingeführt. Bis dahin hatte Vonovia als Deutsche Annington firmiert.

Ob mit dem neuen Namen auch ein neuer Geist eingezogen ist? Der WGG-Chef Volker Kurz will sich dazu nicht äußern. Die Befürchtung, dass Göppingen als „kleiner Krümel innerhalb eines Großkonzerns“ nicht die notwendige Aufmerksamkeit erhalten könnte, die hegt er offenbar schon. So sind hinter den Kulissen bereits Gespräche angelaufen, die auf eine Fortführung des bisherigen Dienstleistungsvertrags bis hin zum Rückkauf der Wohnungen abzielen. Die Gespräche seien noch nicht abgeschlossen, man sei aber nach dem bisherigen Verlauf zuversichtlich, sie zu einem positiven Abschluss zu bringen, heißt es bei der Stadt. Bei Vonovia klingt es ein wenig anders. „Die Bewirtschaftung und Vermietung von Wohnraum ist unser Kerngeschäft“, erklärt die Unternehmenssprecherin Bettina Benner. Noch im Laufe des Jahres werde man das Grainger-Portfolio integrieren. „Danach würden wir die Bestände auch selbst verwalten.“

Das Wort „Kaltmiete“ ist wörtlich zu verstehen

Ohnehin dürfte ein Rückkauf für die WGG ein Kraftakt sein. 2006 kassierte sie für die 388 Wohnungen 23 Millionen Euro. Die Finanzspritze ermöglichte neue Investitionen. Der Rückkaufpreis dürfte nun deutlich höher liegen. Von bis zu 33 Millionen Euro ist die Rede – und das, obwohl in viele Wohnungen in den vergangenen zehn Jahren kaum investiert wurde. Lediglich die Fenster, durch die der kalte Wind pfeife, seien gestrichen worden, erzählt eine Mieterin aus der Nördlichen Ringstraße. „Anschließend hat man sie nicht mehr aufbekommen.“ Die Bäder seien in einem erbärmlichen Zustand. Immerhin, die Kaltmiete betrage nur 364 Euro – wobei „Kaltmiete“ wörtlich zu verstehen sei: Geheizt wird mit Gaseinzelöfen, die sich der Mieter auf eigene Kosten zulegen muss.

Ob die WGG nach einem Rückkauf noch die Mittel für Investitionen hätte, ist ungewiss. Vonovia beabsichtigt nach eigenen Angaben hingegen die Wohnungen zu modernisieren. Das sei Teil der Geschäftsstrategie. „Die Prüfung der Investitionsmöglichkeiten haben wir für dieses Jahr vorgesehen“, sagt Benner. Deren Umsetzung würde demnach von 2017 an erfolgen.