Luxusimmobilien in New York. Foto: dpa

Wenn nicht jetzt bauen, wann dann, fragen sich viele Paare mit Blick auf die niedrigen Zinsen. Risiken werden ausgeblendet.

Wenn nicht jetzt bauen, wann dann, fragen sich viele Paare mit Blick auf die niedrigen Zinsen. Risiken werden ausgeblendet.

Stuttgart - Wenn nicht jetzt bauen, wann dann, fragen sich viele Paare mit Blick auf die niedrigen Zinsen. Risiken werden ausgeblendet. Ein Großteil der Finanzierungen, die derzeit abgeschlossen werden, ist absolut auf Kante genäht, warnen Experten.

„Bauen auch ohne Eigenkapital!!!“ – „Vollfinanzierung bis 120 Prozent“: Mit diesen Versprechungen locken Vermittler im Internet junge Paare, die nicht wissen, wie sie in Zeiten der niedrigen Zinsen etwas ansparen sollen – und gleichzeitig fürchten, die Chance zu verpassen, sich günstig zu verschulden. „Baufinanzierungen ohne Eigenkapital gibt es in zunehmendem Maße“, stellt Immobilienexperte Steffen Sebastian von der Universität Regensburg fest. Auch Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sagt: „Es kommen immer mehr Ratsuchende zu uns in die Immobilienfinanzierungsberatung, die wenig oder kein Eigenkapital haben.“

Es klingt verlockend, doch Fachleute warnen davor, sich ohne Erspartes in ein Bauvorhaben zu stürzen. „Eine Finanzierung ohne Eigenkapital ist in der Regel deutlich teurer und daher nicht zu empfehlen“, betont Sebastian. Der Professor für Immobilienfinanzierung unterscheidet: „Vollfinanzierungen sind nur etwas für Menschen mit extrem gesicherten Einkommensverhältnissen.“ Als Beispiel führt er den 30-jährigen Beamten im höheren Dienst an mit einem sicheren Arbeitsplatz und einer sicheren Pension, der es sich leisten kann, 1500 Euro monatlich für sein Darlehen zu bezahlen. Ganz anders dagegen der selbstständige Bauschlosser, der unregelmäßig etwa 2500 Euro monatlich verdient und höchstens 800 Euro im Monat für seine Eigentumswohnung zahlen kann. Für den komme eine Finanzierung ohne Eigenkapital nicht infrage.

Viele Paare, die ein Baudarlehen brauchen, sehen sich in der Rolle des Bittstellers, wenn sie ihre Bank aufsuchen, weiß Volker Looman aus seiner langjährigen Beratungspraxis als Finanzanalytiker. Wenn dann noch der Bankberater eine Finanzierung in Aussicht stellt und damit der Traum von den eigenen vier Wänden realisierbar scheint, seien Kunden zu vielen Zugeständnissen bereit. Das sieht auch Sebastian so: „Der Wunsch nach einer Immobilie ist gigantisch. Der Verbraucher unterschreibt jede Form der Finanzierung.“

Derzeit sind „Bauspar-Kombinationsfinanzierung gang und gäbe“, sagt Nauhauser. Bei dieser Kombinationsfinanzierung gewährt die Bank ein Vorausdarlehen, das in der Zukunft von einem Bauspardarlehen abgelöst wird. Die Crux: Bis dahin wird das Bankdarlehen nicht getilgt. „Solche Finanzierungen sind in der Regel sehr, sehr teuer“, betont der Finanzexperte.

Im Beispielfall aus der Praxis der Verbraucherzentrale wollte ein Ehepaar mit drei kleinen Kindern eine Eigentumswohnung finanzieren. Die Kreditsumme betrug 170 000 Euro. Aufgrund des geringen Eigenkapitals von 20 000 Euro käme nur eine Bauspar-Kombinationsfinanzierung infrage, argumentierte die Bank. Der Zins für das Vorausdarlehen war auf zehn Jahre festgeschrieben. „Der Fallstrick bei solchen Finanzierungen ist häufig ein Bausparvertrag, der nicht ausreicht, das Darlehen nach zehn Jahren abzulösen“, sagt Nauhauser.

Wie im vorliegenden Fall. In dem Bausparvertrag werden nach zehn Jahren erst 16 200 Euro angespart sein, so dass für die Ablösung höchstens 40 000 Euro zur Verfügung stehen, rechnet der Finanzexperte vor. Die restlichen 130 000 Euro müssen dann anderweitig finanziert werden.

Die Kosten dieser Kombination sind für Verbraucher nicht zu überblicken. „Bei der Bauspar-Kombinationsfinanzierung weiß man nicht, wie teuer diese wirklich ist, weil kein Gesamteffektivzins angegeben werden muss.“ So ein Vertrag lasse sich nicht mit einem normalen Hypothekendarlehen vergleichen, „weil das Preisschild fehlt“, kritisiert Nauhauser. Sein Fazit: „Nur in den wenigsten Fällen passt so eine Bausparkombination zum Bedarf des Anlegers.“

Für Looman ist die Kombination aus Festkredit und Bausparvertrag gar „eine Pest“. Die teilweise Aussetzung der Tilgung zugunsten eines Bausparvertrags rechne sich meist nicht, sagt er: Der Vorauskredit kostet etwa drei Prozent. Im selben Zeitraum spart man einen Bausparvertrag mit 0,5 Guthabenzins an. Oftmals läuft das zehn Jahre so. „Den Zinsverlust innerhalb der ersten Jahre macht auch ein günstiges Bauspardarlehen nicht wett“, betont der Finanzanalytiker. Viel günstiger sei die Finanzierung, wenn ein Darlehen von Anfang an getilgt werde. „Leider ist die Kombinationsfinanzierung zum Standardprodukt vieler Sparkassen und Volksbanken geworden“, sagt Looman.

Die Verbraucherschützer von „Finanztest“ haben sich im vergangenen Jahr positiv zu solchen Kombimodellen geäußert. Darauf verweist der Verband der privaten Bausparkassen. Kombikredite seien erklärungsbedürftig, „aber es lohnt sich, sich damit zu beschäftigen“, so „Finanztest“. Der große Vorteil seien die monatlichen Raten und Zinsen, die „bis zu 28 Jahren lang sicher“ sind. Besonders attraktiv seien sie in der Riester-Variante. „Gut gestrickte Kombifinanzierungen gibt es“, konstatiert Nauhauser, „das beobachten wir allerdings recht selten.“

Seltener, aber nicht weniger kritisch sind Mietkauf-Modelle. In diesen Fällen kauft eine Genossenschaft eine Immobilie und vermietet sie an einen Interessenten, der das Objekt zu einem späteren Zeitpunkt kaufen kann. Die Miete ist in der Regel deutlich höher als die Marktmiete und nebenher muss Eigenkapital angespart werden. „Das ist eine sehr teure Form des Eigenkapital-Ansparens“, sagt Sebastian. „Im Zweifelsfall hat man jahrelang überhöhte Miete gezahlt, um am Schluss festzustellen, dass man sich die Immobilie doch nicht leisten kann und ausziehen muss.“ Deshalb sei von Mietkauf-Modellen dringend abzuraten.

Doch der Wunsch nach den eigenen vier Wänden ist ungebrochen: „Viele Menschen haben das Gefühl, es sei unmöglich, ohne selbst genutzte Immobilie glücklich zu werden“, sagt Sebastian. Doch er warnt: „Eine Immobilie ist nicht für jeden sinnvoll.“