Immobilien gelten als gute Wertanlage – doch oft ist beim Kauf Vorsicht geboten Foto: Fotolia

Wie sein Geld anlegen, wenn die Sparzinsen gegen Null gehen? Viele setzen auf Betongold – den Kauf einer Immobilie. Doch Vorsicht vor schwarzen Schafen: Die Polizei hat eine Betrügerbande ausgehoben, die Hunderttausende Euro Schaden angerichtet hat.

Stuttgart/Reutlingen - Eigentlich war die Polizei einer Gruppe von Heroin-Händlern auf der Spur. Doch als die Ermittler gegen organisierte Kriminalität Anfang des Jahres einen 35-Jährigen ins Visier nahmen, stießen sie auf einen ganz anderen Stoff: Betongold. Auf dem Immobiliensektor soll sich der Verdächtige aus Reutlingen eine sprudelnde Einnahmequelle verschafft haben – mit Hilfe von Wohnhäusern in und um Stuttgart. Und der Unterstützung weiterer Komplizen.

Betrügerische Überfinanzierung nennt sich die Masche, mit der Wirtschaftskriminelle sich billige Immobilien vergolden. Das Prinzip: Sanierungsbedürftige Alt-Immobilien werden zu einem günstigen Preis gekauft und mit frisierten Gutachten zu einer höherwertigen und größeren Wohnung geschönt. Damit wird nicht nur der Käufer hereingelegt. Die gefälschten Unterlagen werden auch dazu verwendet, entsprechend höhere Darlehenssummen bei der Bank zu ergaunern. Dass der Käufer die künstlich höheren Kredite später gar nicht zurückzahlen kann, spielt für den Täter keine Rolle.

Für ihn ist das dann halt ein Problem der Bank. Oftmals werden die Opfer auch damit geködert, dass sie damit zu Geld kommen, das ihnen nie bewilligt würde – deshalb spielen viele arglos mit. Der Vermittler bietet hierzu einen Vollservice – und fälscht gegenüber der Bank unbemerkt die wahren Einkommensverhältnisse. Mit dem so erschwindelten überzogenen Darlehen kann er gegenüber dem Käufer selbst als Kreditgeber auftreten – und den überschüssigen Kreditbetrag in die eigenen Tasche stecken .

Was im jüngsten Fall gespielt wurde, ist noch Gegenstand langwieriger Ermittlungen. „Nach bisherigem Stand geht es um 19 Wohnimmobilien in Stuttgart und den Landkreisen drum herum“, sagt Polizeisprecher Josef Hönes. Unter anderem ist auch ein Haus Böblingen betroffen. Einige Objekte mussten inzwischen zwangsversteigert werden. Natürlich weit unter dem Preis der Darlehenssumme. Die betroffenen Banken müssen mehrere Hunderttausend Euro in den Wind schreiben.

Der Hauptverdächtige ist bei der Polizei kein Unbekannter. Der 35-jährige Reutlinger ist bereits wegen Betrugsdelikten vorbestraft. Ein Richter erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft denn auch Haftbefehl. Ein eigenes Gewerbe betreibt der 35-Jährige offenbar nicht. Vielmehr soll er eine Generalvollmacht für einen Immobilienhandel und Autoverkauf haben, der auf den Namen seiner Mutter angemeldet ist. Auch die 54-Jährige zählt für die Strafverfolgungsbehörden zum Kreis der Beschuldigten.

Die Razzia gegen Sohn und Mutter sowie gegen vier weitere Mittäter fand bereits in der vergangenen Woche statt. Wie aus ermittlungstaktischen Gründen erst jetzt bekannt gegeben wurde, fand die Razzia gegen die mutmaßliche Betrügerbande nicht nur in Stuttgart und Reutlingen, sondern auch in den Landkreisen Esslingen und Ludwigsburg sowie im Rems-Murr-Kreis statt. Mehr als 40 Beamte waren im Einsatz, um an acht Wohn- und Geschäftsadressen Beweismittel zu sichern. „Die Auswertung der Unterlagen wird einige Zeit in Anspruch nehmen“, sagt Polizeisprecher Hönes.

Die Käufer sind nun doppelt gestraft. Im Falle der zwangsversteigerten Wohnungen haben sie überteuert investiert und nun doch keine Immobilie. Für die Staatsanwaltschaft sind sie gutgläubige Geschädigte. „Offenbar haben Betroffene sogar ihre Unterlagen dem Beschuldigten übergeben, weil der sich um die Formalitäten der Finanzierung kümmern wollte“, sagt Staatsanwalts-Sprecherin Claudia Krauth. Für dieses Vertrauen wurden sie nun böse bestraft.

Der größte Fall von Überfinanzierung ist dies freilich nicht. Stuttgarter Wirtschaftskriminalisten hatten in den vergangenen Jahren immer wieder mit solchen Tricks zu tun. Besonderes Aufsehen erregte vor Jahren ein Fall, bei dem nach ersten Angaben sogar 14 Millionen Euro Schaden entstanden waren. Ein Opfer, ein Geschäftsmann, hatte damals bereitwillig mitgespielt, um seine Schulden abzahlen zu können.

Hierfür trat er als Käufer von 42 Eigentumswohnungen in verschiedenen Städten auf. Zentrale des bundesweit angelegten Betrugs war damals eine Firma in Ludwigsburg. Zur Überraschung der Polizei waren in dem Tätergeflecht sogar ein Notar und zwei Ex-Bankdirektoren zu finden. Damals beklagten Makler-Experten, dass findige Betrüger durch die Schematisierung der Anträge begünstigt würden. Profis fingierten dabei genau jene Formalien, auf die allein die Banken großen Wert legten.

Wissen, was wichtig ist – abonnieren Sie hier den StN-Newsletter