Pläne für eine energetische Sanierung des Gebäudebestands lösen Entrüstung aus.
Berlin - Die Pläne der Koalition für eine energetische Sanierung des Gebäudebestands lösen Entrüstung aus. Bis 2050 sollen nicht nur Neubauten, sondern alle Immobilien im Bestand möglichst gar keine CO2-Emissionen mehr ausstoßen. Die Kosten betragen mehrere Billionen.
Nach langem Streit einigten sich Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) auf das Energiekonzept bis 2050. Nicht eingebunden war Bauminister Peter Ramsauer (CSU). Das bereut Ramsauer seitdem. Das Energiekonzept beschreibt nämlich auf drei Seiten detailliert, dass bis 2050 den Besitzern und Mietern von 20,15 Mio. Mietwohnungen und 15 Mio. Eigenheimen (Ein-, Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen) viel abverlangt wird.
Der Gebäudebestand, also Wohn- und Geschäftshäuser, Fabriken und Kirchen, soll in 40 Jahren möglichst gar keine CO2-Emissionen mehr ausstoßen. Wenn überhaupt noch Energie verbraucht wird, dann soll es möglichst Öko-Energie sein. Damit das Ziel erreicht wird, muss die Sanierungsgeschwindigkeit verdoppelt werden. Statt ein Prozent der Häuser, die derzeit im Jahr saniert werden, sollen es zwei Prozent sein. Bislang gab es verbindliche Energiespar-Vorgaben nur bei Neubauten, das soll sich ändern. Besitzer von Gebrauchtimmobilien sollen zur Wärme-Sanierung verpflichtet werden. Wer sich nicht daran hält, soll mehr Steuern zahlen.
Die Empörung in der Immobilienbranche ist groß. Der Eigentümerverband Haus und Grund rechnet vor, dass es 1000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche kosten würde, ein unsaniertes Mehrfamilienhaus aus den 80er Jahren auf den Standard "klimaneutral" zu bringen. Umgelegt auf die Miete würde dies im Fall Stuttgart bedeuten, dass die Kaltmiete von im Schnitt monatlich 6,45 Euro je Quadratmeter (mittlere Wohnlage, unsaniert, Baujahr 1970) auf 15,57 Euro ansteigen würde. In Berlin wäre fast eine Verdreifachung der Kaltmiete von 4,62 Euro auf 13,74 Euro fällig, in Konstanz von 6,09 Euro auf 15,21 Euro.
Die Bundesvereinigung der Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI) schätzt: Die Komplettsanierung des Bestands auf "Nullemission" würde Investitionen von mehreren Billionen Euro erfordern. Zudem sei nicht klar, welche technischen Baumaßnahmen für den klimaneutralen Standard in 2050 nötig seien. Die bis 2020 sanierten Häuser würden jedenfalls noch nicht komplett "klimaneutral" sein und müssten bis 2050 einen zweiten Sanierungsschritt gehen. Die BSI bezweifelt zudem, ob eine Sanierungspflicht verfassungsgemäß wäre. Der Gesetzgeber könne den Besitzer nicht zu einer kostspieligen Sanierung verpflichten, die dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse übersteige. Die staatliche Energieagentur Dena schätzt, dass der Staat jedes Jahr 5 Mrd. an Zuschüssen geben müsse, damit Immobilienbesitzer so kräftig sanieren, dass nur die (mit dem Energiekonzept schon wieder überholten) Klimaschutzziele der Regierung bei der Gebäudesanierung bis 2020 erreicht werden.
Kritik auch in den eigenen Reihen
Noch gibt es zudem gewisse Ungereimtheiten im Vorgehen der Regierung: Im Energiekonzept ist davon die Rede, dass das "bewährte CO2-Gebäudesanierungsprogramm deutlich besser ausgestattet werden soll". Tatsächlich aber ist Teil des Sparkonzepts der Koalition, dass das Bauministerium gerade die Mittel für dieses Programm 2011 auf 450 Mio. Euro gekürzt und damit auf knapp die Hälfte eingedampft hat. 2012 soll das Programm ganz gestrichen werden.
Kritik wird auch in der Koalition laut . Sebastian Körber, baupolitischer Sprecher der FDP, sagte gegenüber dieser Zeitung: "Ich halte nichts von Zwangsmaßnahmen für Immobilienbesitzer." Statt dessen müsse das Gebäudesanierungsprogramm, das Hausbesitzern günstige Kredite über die staatseigene KfW-Bank gewährt, nicht gestoppt, sondern ausgebaut werden. Zudem will er die Abschreibungsmöglichkeiten für Vermieter verbessern. "Die Nutzungsdauer einer Immobilie verkürzt sich drastisch mit dem Zwang, energetisch zu sanieren. Ich halte es für angemessen, die jährliche Abschreibung von zwei auf vier Prozent der Kaufsumme zu verdoppeln." Auch das Mietrecht müsse reformiert werden, damit Vermieter für energetische Sanierungen nicht bestraft werden.