Wenn Einwegflaschen verrotten, können kleinste Plastikteilchen entstehen, die die Umwelt belasten. Foto: dpa

Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller fordert vom Bund schärfere Verpackungsvorgaben. Ein Grund dafür: Fast alle großen Gewässer in Baden-Württemberg sind mit Mikroplastik belastet

Stuttgart - Angesichts der wachsenden Mengen von Einwegverpackungen und der damit verbundenen Gefahren für die Umwelt fordert die Landesregierung vom Bund wirksamere Maßnahmen zur Plastikvermeidung. „Es sind keine Ansätze des Bundes bekannt, wie Mehrwegverpackungen wirksam gefördert werden können“, schreibt Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) in einer Antwort auf eine Große Anfrage der Grünen-Fraktion, die unserer Redaktion vorliegt. Der Bund beschränke sich auf die Pflicht zu einer besseren Verbraucherinformation auf Verpackungen, so der Minister. Dies hält er jedoch nicht für ausreichend.

„Auch wenn es keine einfachen Lösungen gibt, könnten doch längst vorhandene Denkanstöße und Vorschläge aufgegriffen werden“, meint der Grünen-Politiker. Dazu zählt für ihn zum Beispiel eine verbindliche Festlegung des Einzelhandels, einen bestimmten Anteil an Mehrweg-Getränkeverpackungen ständig im Sortiment zu haben: „Gerade Discounter führen oft abgesehen von Bieren in Mehrwegglasflaschen keine Mehrweggetränkeverpackungen mehr im Sortiment.“ Der Verbraucher habe keine Möglichkeit, durch eine bewusste Kaufentscheidung den Anteil an Mehrwegverpackungen zu fördern. Auch das Verbot für Einwegflaschen aus Glas will der Grünen-Politiker geprüft sehen: „Aufgrund des hohen Energiebedarfs bei der Herstellung schneidet Glas bei Einweggetränkeverpackungen weit schlechter ab als PET.“

Verbot für einmal benutzte Coffee-to-go-Becher?

Selbst die Einführung von Pfand für Coffee-to-go-Becher, die nur einmal benutzt werden, zieht Untersteller in Erwägung. Letztlich sei „auch ein Verbot nicht per se auszuschließen“. Untersteller begrüßt allerdings auch, dass viele Kommunen von sich aus bereits Coffee-to-go-Mehrwegbecher eingeführt haben. Er schlägt vor, bestehende Systeme mittelfristig zu vereinheitlichen, um auch Pendlern und Reisenden gerecht zu werden.

Kunststoff generell ersetzen wolle die Landesregierung allerdings nicht, betont der Minister. Nur dürfe dieser am Ende der Lebenszeit nicht in der Umwelt landen, sondern müsse einem hochwertigen Recycling zugeführt werden. Das Verbrennen in Zementwerken hält Untersteller „partiell ergänzend“ für durchaus für sinnvoll: Wenn zum Beispiel verschmutztes Plastik nicht sinnvoll recycelt werden könne, ersetze es fossile Brennstoffe.

„An erster Stelle muss die Abfallvermeidung stehen“, sagte die Grünen-Umweltpolitikerin Bettina Lisbach unserer Redaktion. Das Land unterstütze deshalb insbesondere Initiativen für langlebige, gemeinsam genutzte Produkte im Rahmen der Aktionen „Mieten statt kaufen“, „Nutzen statt besitzen“ oder von sogenannten „Unverpackt-Läden“.

Hauptquelle für Mikroplastik: Reifenabrieb

Untersteller verweist darauf, dass bei Sammelaktionen entlang von Flüssen große Mengen von Plastikflaschen, Essensverpackungen, Autoreifen und anderen Kunststoffmülls gefunden werden. „Durch Verwitterung und Abrieb können daraus sekundäre Mikrokunststoffpartikel entstehen.“ Schon jetzt seien so gut wie alle große Flüsse und Seen im Land mit kleinsten Plastikteilchen verschmutzt.

Woher die sogenannte Mikroplastik stammt, lässt sich offenbar noch nicht genau sagen. „Nach Schätzungen wird der überwiegende Teil des Mikroplastiks durch Abrieb und Verwitterung von Produkten in die Umwelt emittiert“, heißt es in der Stellungnahme. Der Abrieb von Reifen und Freisetzungen bei der Abfallentsorgung gilt als eine der Hauptquellen. Untersteller plädiert dafür, Mikroplastik überall dort zu vermeiden, wo sich diese Teilchen möglichst einfach vermeiden lassen: zum Beispiel bei Kunststoffen, die Kosmetikprodukten beigesetzt werden.

Kleinere Haushalte – mehr Verpackungsmüll

Laut Umweltministerium hat die Menge der Verpackungen in Deutschland in den letzten Jahren erheblich zugenommen. So fiel im Jahr 2016 mit 18,16 Millionen Tonnen rund 20 Prozent mehr Verpackungsmüll an als im Jahr 2009. Als Ursache nennt er die Zunahme von Einweggetränkeverpackungen und Kunststoff-Kleinverpackungen: „Kleine Verpackungsmengen sind oft die Folge eines veränderten Verbraucherverhaltens infolge kleinerer Haushalte.“ Einwegverpackungen seien aber nur in Ausnahmefällen erforderlich: „In Fällen bester naturgegebener Verpackungen wie zum Beispiel Bananen erscheint die Verwendung von zusätzlichen Kunststoffverpackungen grob unverhältnismäßig.“

Das neue Verpackungsgesetz des Bundes, das am 1. Januar 2019 in Kraft treten soll, sehe jedoch für solche Fälle keinerlei Sanktionen vor, bedauert der Grünen-Politiker. Er habe im Gesetzgebungsverfahren erfolglos auf eine Bußgeldandrohung gedrängt, „wenn das Verhältnis von Verpackung und Inhalt in eklatanter Weise auseinanderklafft“.