Produktion bei Gehring in Ostfildern. Die Firma ist spezialisiert auf das Honen, das heißt das Ausfräsen von Zylindern, damit sich der Kolben darin möglichst widerstandsfrei bewegen kann. Foto: Gehring

Übernahmen hiesiger Firmen durch ausländische Investoren häufen sich – Die IG Metall gibt der Landespolitik eine Mitschuld an der Entwicklung.

Stuttgart - Emag, Putzmeister, Schuler, Metabo, Sunways, Schiesser – die Liste hiesiger Unternehmen, die allein in den vergangenen zwölf Monaten in ausländische Hände übergegangen sind, ist lang. Am vergangenen Donnerstag kam ein weiterer Name hinzu: Mit Gehring Technologies, einem Schlüsselzulieferer für die Automobilindustrie mit Sitz in Ostfildern, ist ein weiterer Technologieträger verkauft – an Penta, einen Investor mit Sitz unter anderem in Prag und Bratislava. 75 Prozent der Gehring-Anteile gehen, sofern die Kartellbehörden zustimmen, vom bisherigen Münchner Besitzer Stargate Capital auf Penta über, wie die Firmen mitteilten. Man wolle ein langfristig tragfähiges Wachstum erreichen, hieß es von Penta. Mark Hüsges, Partner bei Stargate Capital und Geschäftsführer bei Gehring, betont, dass sich für die Arbeitnehmer und Kunden „nichts ändern“ werde.

Dennoch ist für die IG Metall der neue Eigner aus Tschechien nur zweite Wahl. „Kapitalgesellschaften wie Penta haben das Ziel, den Unternehmenswert zu steigern und die Firma irgendwann weiterzuverkaufen“, sagte der Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Esslingen, Sieghard Bender, unserer Zeitung.

Lieber wäre ihm eine Lösung unter Beteiligung des Landes gewesen. „Die Verpflichtung den Arbeitnehmern gegenüber ist hier größer“, sagt Bender. Allerdings ziehe sich Baden-Württemberg anders als etwa Bayern immer weiter aus der Mittelstandsfinanzierung zurück. Früher habe es einen Grundkonsens gegeben, den Unternehmen im Land in Ausnahmesituationen mit Zwischenfinanzierungen oder günstigen Darlehen auszuhelfen. „Das gibt es nicht mehr“, sagte Bender. Die klassischen Landesinstrumente, etwa die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft (MBG) oder auch die Stuttgarter Unternehmensbeteiligungsgesellschaft BWK, die zu 40 Prozent im Besitz der Landesbank Baden-Württemberg ist, kämen ihrem Auftrag nicht mehr nach. Wenn überhaupt, stiegen sie nur noch mehrheitlich bei Firmen ein. Den Betrieben über Minderheitsbeteiligungen von unter 50 Prozent auszuhelfen hätte Seltenheitswert.

„Heute bietet das Land nicht genügend Instrumente, um Industriebetrieben auszuhelfen, wenn sie Kapital benötigen“

Dabei können sich auch Einstiege auf kleiner Flamme zu Erfolgsgeschichten entwickeln. 1997 etwa erwarb die BWK 18,65 Prozent am IT-Dienstleiter Bechtle. Als man die Anteile Mitte 2011 wieder verkaufte, hatte sich der Umsatz des Unternehmens fast vervierzehnfacht. Bereits 1995 erwarb die BWK 36 Prozent am Nürtinger Werkzeugmaschinenbauer Heller. Dem Unternehmen geht es heute prächtig.

Diese Beispiele sind Vergangenheit. „Heute bietet das Land nicht genügend Instrumente, um Industriebetrieben auszuhelfen, wenn sie Kapital benötigen“, fasst Bender die Lage zusammen. Zumindest für Gehring, das dieses Jahr 130 Millionen Euro Umsatz einfahren will, trifft das zu. Die Firma aus Ostfildern, die auf die Zylinderbearbeitung mit Hon-Maschinen spezialisiert ist, wollte, um sein Wachstum zu finanzieren, eigentlich mit der BWK ins Geschäft kommen. „Wir haben Verhandlungen geführt, und wir hätten auch gerne nur eine Minderheitsbeteiligung veräußert“, so Gehring-Geschäftsführer Hüsges. Ohne Erfolg.

„Die Zahl der Betriebe in chinesischem Besitz wird immer mehr zunehmen“

Zum Zuge kommen daher immer öfter Investoren oder Fonds aus dem Ausland. Erst im Juni dieses Jahres holte sich beispielsweise der Nürtinger Elektrowerkzeughersteller Metabo mit Chequers Capital einen französischen Investor ins Boot, um sein Wachstum zu finanzieren. „Früher hätte das eine Beteiligungsgesellschaft des Landes übernommen“, sagt Bender, der durch fremde Investoren langfristig auch einen Abfluss von Know-how befürchtet. Nach der Übernahme des Betonpumpenbauers Putzmeister oder des Solarzellenproduzenten Sunways steige speziell der Einfluss chinesischer Investoren im Land. „Die Zahl der Betriebe in chinesischem Besitz wird immer mehr zunehmen“, sagt Bender. „Da droht ein Ausverkauf.“

Völlig offen ist hingegen, was der Eigentümerwechsel bei Gehring für eine mindestens fünf Millionen Euro schwere Landesbürgschaft bedeutet, die der gerade aus der Insolvenz gekommenen Firma im April 2009 nach Informationen unserer Zeitung gewährt wurde. Auf Nachfrage gibt es beim Stuttgarter Wirtschaftsministerium, das die Übernahme der Bürgschaft für Gehring offiziell nicht bestätigt, nur eine allgemeine Antwort: Bei einem Eigentümerwechsel habe das Land immer ein Kündigungsrecht, sagte ein Ministeriumssprecher.