Haftgebäude in Stuttgart-Stammheim: Aufgrund der vielen Ausländer unter den Strafgefangenen muss verstärkt auf Video-Dolmetscher gesetzt werden. Auch die Fremsprachenkenntnisse der Justizvollzugsbediensteten sollen verbessert werden. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Angeblich werden vor allem Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive straffällig. Doch laut der jüngsten Gefangenenstatistik in Baden-Württemberg ist die Rechnung nicht so einfach. Das Land zählt auch immer mehr rechtskräftig verurteilte Syrer.

Stuttgart - Die Zahl der Ausländer in Baden-Württembergs Gefängnissen hat ein neues Rekordhoch erreicht. Wie das Stuttgarter Justizministerium auf Anfrage unserer Zeitung mitteilte, hat sich 2018 ihr Anteil im Vergleich zum Vorjahr ein weiteres Mal erhöht, und zwar von 46 auf 48,5 Prozent. Für die Justizvollzugsbediensteten sei das „eine echte Herausforderung“, so Justizminister Guido Wolf (CDU). Die Zahl der Gefangenen, mit denen eine Verständigung nur noch über einen Dolmetscher möglich sei, werde immer höher. Wolf führt die Entwicklung hauptsächlich auf den großen Flüchtlingszustrom im Jahr 2015 zurück. „Seit 2015 hat sich der Anteil ausländischer Gefangener um fast 20 Prozent erhöht“, sagte er.

Türkei, dann Gambia

Der Erhebung zufolge, bei der das Land jedes Jahr Ende März die Nationalität der Strafgefangenen ermittelt, ist in den vergangenen zwei Jahren vor allem die Zahl der Strafgefangenen aus Gambia kräftig gestiegen, und zwar vor 178 auf 277. Damit liegt Gambia auf der Liste der häufigsten Herkunftsländer inzwischen hinter der Türkei (499) auf Platz zwei. Dahinter folgen Rumänien, Algerien, Italien, Georgien, Polen und das Kosovo. Insgesamt sind 96 Nationen in den Haftanstalten des Landes vertreten.

70 Prozent Ausländer in Stammheim

Die Zahl syrischer Strafgefangener ist seit 2016 von 41 auf 148 gestiegen und hat sich somit mehr als verdreifacht. Dadurch rückte Syrien bei den häufigsten Nationalitäten auf Rang neun vor. Besonders hoch ist der Ausländeranteil mit 66,4 Prozent bei den Untersuchungshäftlingen, die rund ein Drittel aller Strafgefangenen ausmachen. Der Grund: Bei ausländischen Tatverdächtigen wird häufiger Fluchtgefahr angenommen. Den höchsten Ausländeranteil aller Anstalten im Land hat Stammheim (rund 70 Prozent).

Gefängnisse überfüllt

Die Gesamtzahl der Gefangenen im Land hat in den 17 Haftanstalten mit ihren 18 Außenstellen weiter zugenommen. Zum Stichtag saßen 7420 Personen in Baden-Württemberg ein – das sind 124 mehr als im Vorjahr und auch mehr als die offiziell angegebene Kapazität im Land (7300 Haftplätze).