Wild- und Honigbienen sind rein äußerlich schwer zu unterscheiden. Auf diesem Foto sieht man eine Wildbiene. Foto: dpa

Die Zahl der Imker wächst. Naturschützer sehen in all den Honigbienen allerdings eine Gefahr für die Wildbienen. In der ganzen Aufgeregtheit fällt unter den Tisch, worum es eigentlich geht, sagt ein Experte aus Stuttgart-Hohenheim.

Filder - Der Verteilungskampf in der Natur wird erbittert geführt. Von Menschen. Auf der einen Seite Naturschützer, die Honigbienen als gefährliche Konkurrenten für Wildbienen einstufen. Auf der anderen Seite eine wachsende Zahl an Imkern, die mit ihrem Hobby sich und der Umwelt etwas Gutes tun wollen.

Ein Ort, an dem der Streit vor einiger Zeit überraschend heftig eskaliert ist, ist das beschauliche Körschtal zwischen Möhringen und Plieningen. Aus dem Nichts flatterte im Frühjahr ein barscher Brief von der Stadt Stuttgart bei privaten Stücklesbesitzern ins Haus. Die knallharte Forderung: vorhandene Bienenkästen innerhalb von drei Wochen abzubauen, die Behörde drohte sogar mit finanziellen Folgen. Landwirtschaftliche Nutztiere seien in einem Naturschutzgebiet verboten, und damit auch Honigbienen. Die Aufregung, die dem Brief folgte, war riesig.

Bienen produzieren positive Bilder im Kopf

Peter Rosenkranz nimmt die Diskussion derweil gelassen zur Kenntnis. Etwas aufgeregt wirkt er höchstens, weil ihn sein Terminkalender mal wieder vor sich her scheucht. Er ist der Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde in Hohenheim. Was er sofort unterschreibt: Das Interesse der Leute an Bienen ist riesig. Die Tierchen würden positive Bilder in den Köpfen produzieren, glaubt er. Leckerer Honig, duftender Wachs, ein possierliches Äußeres – die Menschen lieben Bienen.

Einmal im Jahr lädt die Hohenheimer Landesanstalt zu einem Informationstag rund ums Imkern ein. „Wir bewerben die Veranstaltung absichtlich nicht“, sagt Rosenkranz. Es kommen trotzdem 400 Leute und mehr. Und auch bei Tagen der offenen Tür: „Vom Rollatorfahrer bis zum Kindergartenkind, alle haben immer leuchtende Augen.“ Und die sollen nun alle der Natur an den Kragen wollen? Das sieht Rosenkranz anders.

Die Konkurrenz-Debatte sei nichts Neues

Die Debatte über die angebliche Konkurrenz zwischen Honig- und Wildbiene kennt Rosenkranz schon seit 30 Jahren. „Das ist nichts Neues“, sagt er. Aber das Echo aus der breiten Bevölkerung habe zugenommen. Interviews mit Zeitung, Radio oder Fernsehen gehören längst zu seinem Berufsalltag. Was ihn bei dieser ganzen Furore stört: Die Honigbiene wird zum Feindbild stilisiert, und in der aufgeheizten Debatte wird vollkommen vergessen, worum es geht. Das eigentliche Problem sei doch ein anderes: Die Natur ist in den vergangenen Jahrzehnten enorm zusammengeschrumpft. Straßen, Landwirtschaft, Hausbau – das alles hat Fläche gekostet. Fläche, die bisher Wildtieren als Lebensraum diente. So seien beispielsweise seit dem Zweiten Weltkrieg 80 Prozent Streuobstwiesen verloren gegangen, sagt Peter Rosenkranz.

Die Honigbienen seien nicht mehr geworden, sondern die Ausbeute weniger. Jetzt zu sagen, die robusten Honigbienen futtern den zarteren Wildbienen den Nektar weg, sei schlicht verkehrt.

Die Lebensweise unterscheide sich, Wild- und Honigbienen kämen sich genau genommen selten in die Quere. Wildbienen flögen nicht unbedingt dieselben Blüten an wie Honigbienen. Letztere gehen vor allem auf Masse; ein Rapsfeld oder eine Obstbaumwiese sind Bienenweiden für sie. Dafür legen sie bis zu drei Kilometer zurück. Im Bienenstock finden sie zudem Nahrung, die ihnen der Imker kredenzt.

Honigbienen gehen vor allem auf Masse

Die wild lebenden Arten wiederum fliegen nur ein paar Hundert Meter. Weitere Strecken würden sie mehr Energie kosten, als sie von ihrem Ausflug für ihre Brut mitbrächten. Sie leben oft allein oder in kleineren Gruppen. Honigbienen bilden indes Riesenvölker, die sich die Arbeit untereinander aufteilen. Doch bei allen Unterschieden: Ob Wild- oder Honigbiene – beide verändern die Natur. „Sie sind ein Korrektiv.“ Von wegen Kriegstreiber.