Die zweite Staffel der in Stuttgart angesiedelten Klinik- und Familienserie „Dr. Klein“ mit Christine Urspruch als kleinwüchsige Oberärztin hatte mit sinkenden Quoten zu kämpfen. Jetzt geht die dritte Staffel an den Start. Schwingt das Vorabendformat immer noch die Ethik-Keule?
Stuttgart - Dr. Klein hat Eheprobleme. Die Schlechtigkeit der Welt hat sich in ihren Kleinwüchsigen-Kosmos geschlichen: Der normalgroße Gatte ist fremdgegangen. Ja, Holger Kleins (Arnd Klawitter) Bucheditionspläne haben zu amourösen Verwicklungen mit der Verlegerin geführt, was er bei der von der Ehefrau Valerie erwünschten Paartherapie gestanden hat. Weltschmerz steht der leitenden Oberärztin gut. Sie schreit ihn zum passenden Text der Italo-Schnulze „Ti amo“ beim Karaoke-Abend mit den Klinikkollegen heraus.
Die in Stuttgart angesiedelte ZDF-Vorabendserie „Dr. Klein“ war vor zwei Jahren mit der Ethik-Keule angetreten: Liebe Zuschauer, wir zeigen euch mal, wie bunt unsere moderne Gesellschaft ist. Es gibt Kleinwüchsige, es gibt Homosexuelle, es gibt Übergewichtige, Farbige und noch ganz viel andere Exoten. Und es gibt ebenso viele Vorurteile und Klischees. Die wollen wir aufbrechen und zwar ganz explizit, dann ist es schön lustig.
„Dr. Klein“ sei eine Medical- und Familienserie, die das Anderssein „humorvoll, politisch unkorrekt und nur am Rande“ erzähle, so hatte Heike Hempel, die zuständige Redaktionsleiterin beim ZDF, zum Serienstart mit starker Untertreibung formuliert. Im Zentrum stehe die Frage: Wie geht heute eigentlich Familie?
Inzwischen ist man in der dritten Staffel angekommen: Von diesem Freitag an zeigt das ZDF neue Folgen. Trotz deutlich rückläufiger Quoten vor allem bei der umworbenen Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen hatte der Mainzer Sender im vergangenen Dezember eine Fortsetzung in Auftrag gegeben, gedreht wurden die dreizehn Episoden im Sommer.
Hohe Problem- und Virendichte
Und siehe da: Vom Anderssein ist in den ersten beiden Folgen nicht mehr allzu viel die Rede. Das könnte eigentlich Grund zur Freude sein, der peinliche Volkshochschulkurs zum Thema „Wie üben wir gesellschaftliche Toleranz?“ scheint vorzeitig abgeschlossen. Doch leider füllt das Drehbuch-Team um den Headautor und Produzenten Torsten Lenkeit („Soko Stuttgart“, „In aller Freundschaft“) die so entstandenen Lücken beim Konzipieren der handlungstragenden Dramen mit reichlich abgewetzten Serienplots auf – wohl mit dem Kalkül, den Zuschauerzuspruch wieder zu erhöhen. Es hagelt Schicksalsschläge im Minutentakt – die Problemdichte ist quantitativ vergleichbar mit dem Virenbestand auf der Türklinke einer Bahnhofstoilette.
Krankenschwester Nanny (Nora Huetz), liiert mit dem chauvinistischen Gegenspieler von Valerie Klein, Dr. Bernd Lang (Simon Licht), entbindet und bringt ein zuckersüßes Kerlchen zur Welt. Dessen Hautfarbe gleicht allerdings nicht der des vermeintlichen Vaters. Nanny muss einen folgenreichen Seitensprung gestehen, aber nicht mit dem farbigen Kollegen Müller (Michael Klammer), wie Dr. Lang in männlicher Einfallslosigkeit vermutet. Er setzt die junge Mutter vor die Tür, und Nanny versinkt in einer postnatalen Depression. Dr. Lang hat aber noch andere Sorgen: Seine Mutter Grit (Maresa Hörbiger) sitzt in Untersuchungshaft; ihr wird zur Last gelegt, am Tod der Großmutter ihres Sohnes nicht ganz unschuldig zu sein.
Dr. Kleins Tochter Pam (Sarah Mahita) muss damit fertig werden, dass ihre große Liebe Kaan Gül (Karim Günes) sein Faible fürs andere Geschlecht entdeckt und sich in den Restaurantbesitzer Patrick (Leander Lichti), ehemals mit dem früheren Klinikchef Dr. Eisner liiert, verliebt hat. Dr. Kleins dementer Vater (Karl Kranzkowski) wiederum möchte angesichts der erodierenden Familienverhältnisse im Hause Klein Sicherheit in sein Leben bringen und Oberschwester Gundula (Martina Eitner-Acheampong) einen Heiratsantrag machen. Was er in der ersten Folge von Staffel drei, „Davor und Danach“, aber erst einmal vergisst.
Salbungsvolle Weisheiten aus dem Off
Und dann ist da noch die Klinikdirektorin Nevin Gül (Renan Demirkan), die den Posten von Dr. Eisner interimsweise übernommen hat – Miroslav Nemec als schwuler Chef-Mediziner hatte sich aus dem Stuttgarter Bürgerhospital, das als Drehort für die „Rosenstein-Klinik“ dient, mit einem tödlichen Unfall verabschiedet. Sie intrigiert gegen den eigenen Sohn Kaan, indem sie den studierten Mediziner als Krankenpfleger einstellt und ihn damit im Kollegium diskreditiert. Alles wie im richtigen Leben.
Die kleine Valerie Klein darf weiterhin in der Kinderklinik Größe beweisen, rührende Gespräche mit ihren Patienten – ja, die gibt es auch noch – auf Augenhöhe führen und ansonsten mit salbungsvoller Stimme aus dem Off den Zuschauer mit plakativen Lebensweisheiten belehren. Somit ist in den ersten beiden neuen Folgen bedauerlicherweise alles in bester öffentlich-rechtlicher Serienordnung. Bedauerlich vor allem für jene Zuschauer, die sich vor subtileren Zwischentönen in der Schilderung des menschlichen Miteinanders, beruflich oder familiär, nicht grausen würden. Und bedauerlich für Christine Urspruch, die zwar souverän aufspielt, aber in weniger seichtem Rahmen ihr darstellerisches Können sicher noch überzeugender entfalten könnte.
ZDF, freitags, 19.25