Im Vorfeld der Landtagswahl trafen sich die Stuttgarter Kandidaten zu einer Podiumsrunde. (Symbolbild) Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Im Vorfeld der Landtagswahl äußerten sich Stuttgarter Kandidaten zu den Herausforderungen auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft.

Stuttgart - Mit gebührendem Abstand sitzen die Landtagswahlkandidaten und -kandidatinnen des Wahlkreises Stuttgart 1 im Treffpunkt Rotebühlplatz. Die online in Echtzeit mit Untertiteln versehene und um einfache Sprache bemühte Podiumsdiskussion für Menschen mit und ohne Behinderungen findet coronabedingt ohne Publikum statt. Die Rahmenbedingungen verweisen auf die Frage, die als Motto über dem Abend steht: „Was hält unsere Gesellschaft zusammen?“

Er sehe derzeit „unschöne Tendenzen“ und mache sich Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, gesteht Sascha Meßmer (SPD). Der Wirtschaftsberater hat dabei nicht nur die Bewältigung der ökonomischen Herausforderungen im Blick, sondern auch das Klima in sozialen Belangen. Etwa wo es um die Aufnahme weiterer Flüchtlinge geht. Meßmer bezieht unmissverständlich Stellung: Hilfsbedürftige aufzunehmen sei eine Verpflichtung. Deutschland habe nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria weniger Menschen aufgenommen als versprochen und müsse sich mehr engagieren.

Steffen Degler (AfD) plädiert hingegen für eine Rückführung von Flüchtlingen, etwa nach Syrien. Asyl auf Zeit sei in Ordnung. Nun aber sollten die Menschen dazu beitragen, ihre Heimat wieder aufzubauen. Degler vertritt zudem die These, Migration gehe mit zunehmender Kriminalität und Problemen der inneren Sicherheit einher.

Stuttgart stehe zusammen

Während CDU-Kandidatin Ruth Schlagemann Raum für Verbesserungen in puncto Sicherheitsempfinden sieht, etwa was die Beleuchtung in Parkbereichen angeht, gleichzeitig aber betont, Stuttgart sei eine der sichersten Städte in Deutschland, sieht der AfD-Mann eine Bedrohungslage. Er lädt Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) ein, einmal Abends am Stuttgarter Hauptbahnhof spazieren zu gehen, um sich ein Bild von der Sicherheitslage zu machen. Die 55-Jährige Steuerberaterin lehnt höflich ab. Sie fühle sich sicher. Aras sieht eine große Bereitschaft, füreinander einzustehen. Das habe sich 2015 gezeigt, als viele Flüchtlinge in der Landeshauptstadt aufgenommen wurden. Es zeige sich auch in der Corona-Krise, wenn junge Menschen für ältere einkaufen gingen. Stuttgart stehe zusammen.

In vielen Punkten herrscht grundlegen Konsens. Degler bezweifelt zwar, dass der Klimawandel menschengemacht sei, Rohstoffe zu sparen oder alternative Antriebe für Fahrzeuge zu entwickeln, begrüßt er aber. Johanna Molitor (FDP) spricht sich für weniger Autofahrten aus und bringt digitale Mülltonnen ins Gespräch, die den Füllstand anzeigen könnten. So ließen sich unnötige Fahrten der AWS vermeiden. Im öffentlichen Nahverkehr sieht sie Raum zur Nachbesserung in der Taktung und bei der Barrierefreiheit.

Vielfalt als Wert für die Stadtgesellschaft

Filippo Capezzone (Die Linke) wirbt für einen Ausbau des ÖPNV bei niedrigeren Fahrpreisen und eine Neuregelung der Finanzierung über eine Nahverkehrsabgabe für jene, die sie sich leisten können. Vielfalt als Wert für die Stadtgesellschaft ist ein weiteres Thema, das in der von Simone Fischer, der Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung in Stuttgart moderierten Runde immer wieder anklingt. Ruth Schlagemann hebt die Bedeutung durchmischter Quartiere hervor. Das Hospitalviertel sei ein gelungenes Beispiel, so die Architektin.

Holprige Digitalisierung, geringe Chancen für Menschen mit Behinderungen, außerhalb von Werkstätten Arbeit zu finden, Mietpreise, die Wohnen in Stuttgart für Teile der Bevölkerung unerschwinglich machen: Die Diskussion zeigt, dass in vielerlei Hinsicht Handlungsbedarf besteht. Auch, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu gewährleisten. „Ich denke, es ist wichtig, sich immer wieder in die Lage des anderen hineinzuversetzen“, gibt Muhterem Aras zu bedenken. „Eine inklusive Gesellschaft müsste diese Brille in allen Bereichen aufhaben, statt sie nur einzelnen Institutionen zu überlassen.“