Der Solarflieger Solar Impulse 2 soll voraussichtlich am Montag starten. Dabei geht es von Abi Dhabi aus rund 35 000 Kilometer in Richtung Osten Foto: dpa

Zwei Schweizer Piloten wollen das Unmögliche schaffen: einmal um die Welt mit einem Solarflugzeug. Wir haben vor dem voraussichtlichen Start am Montag mit Len Schumann vom Institut für Flugzeugbau in Stuttgart gesprochen.

Stuttgart - Herr Schumann, welche Schwierigkeiten können sich während der Erdumrundung des Solar Impulse 2 ergeben?
Theoretisch sind die Piloten und das Team sicher perfekt vorbereitet. Das Budget und die Rahmenbedingungen sind top und das Team wahnsinnig gut. Was natürlich vorher nicht kalkuliert werden kann, ist das Wetter. Bei starken Turbulenzen oder Gewitter ist es nicht empfehlenswert, mit einem Flugzeug wie dem Solar Impulse 2 zu fliegen. Da gehört auch ein großes Quäntchen Glück dazu.
Welche Wetterbedingungen wären optimal?
Da das Solarflugzeug ausschließlich mit Sonnenenergie betrieben wird, ist möglichst klares Wetter mit viel Sonne unabdingbar. Die Sonnenenergie, die auf die Erde auftrifft, ist nahezu konstant und mit etwa 1400 Watt pro Quadratmeter für ein Flugzeug sehr gering, daher wird die Fluggeschwindigkeit nicht mehr als 70 Kilometer pro Stunde betragen. Außerdem müssen die Erfinder zwangsläufig in Richtung Osten fliegen. Schuld daran sind die sogenannten Jetstreams, das sind Strahlströme, die je nach Breitengrad, Flughöhe und Jahreszeit mit mehreren Hundert Kilometern pro Stunde von Westen nach Osten wehen können. Würde der Solar Impulse 2 in Richtung Westen starten, würde er bei starkem Jetstream wohl rückwärts fliegen.
Wie lang könnte der Solar Impulse 2 theoretisch in der Luft bleiben?
Die technische Seite ist hier quasi nicht limitierend. Die Frage ist viel eher, wie lange die beiden Piloten Piccard und Borschberg im Cockpit durchhalten.
Wie lebt es sich in der Luft?
Um tagelang im Solar Impulse 2 zu verbringen, gehören sicher starke Nerven, große Willensstärke und auch Mut dazu. Das erinnert ein bisschen an die frühen Flugpioniere. Wie genau das Leben in der Luft abläuft, kann ich mangels eigener Erfahrung nicht sagen. Aber ich persönlich stelle es mir furchtbar vor, vor allem wegen der langen Strecken über dem Meer – für mich wäre das nichts.
Könnte der Solarflieger in ferner Zukunft eine Alternative zum normalen Flugzeug werden?
Nein, das wird nicht passieren, weil die Physik eindeutig dagegen spricht. Den Solarflieger nur als nette, technische Spielerei zu bezeichnen wäre aber auch untertrieben. Was die beiden Schweizer mit ihrem Team da entwickelt haben, ist eine Riesenleistung. Aber wir können sicher sagen, dass es auch in 100 Jahren keinen solaren Personentransport mit großen Flugzeugen geben wird. Die Energie der Sonne ist konstant und lässt eben nur Flugzeuge wie den Solar Impulse 2 zu. Aber kurz- und mittelfristig können wir bestimmt viel von ihm lernen.
Inwiefern?
Es wird künftig sicher viele technische Details geben, die man in irgendeiner Form in der Luftfahrt übernehmen kann.
Der Flugstart wurde mehrmals verschoben – ein schlechtes Omen?
Überhaupt nicht. Ob das Wetter mitspielt, kann niemand planen. Sowohl beim Start als auch bei der Landung müssen nahezu perfekte Wetterbedingungen herrschen. Da darf man sich richtigerweise nicht vom Druck der Medien verleiten lassen und trotzdem fliegen.
Inwieweit unterscheidet sich der Solar Impulse 2 von Ihrem Solarflieger Icaré II?
Die beiden Flieger kann man natürlich nicht wirklich miteinander vergleichen. Da liegen fast 20 Jahre Entwicklung dazwischen. Der Icaré II hatte 1996 seinen Erstflug. Mit seinen 25 Meter Spannweite fliegt er mit Sonnenenergie zwischen 50 und 70 Kilometer pro Stunde, seine längste Strecke war bis jetzt etwas über 500 Kilometer in Frankreich. Da unsere Solarzellen wesentlich älter sind und das Flugzeug im Vergleich zum Solar Impulse 2 viel kleiner ist, können wir zum Beispiel mit dem Icaré II nicht in der Nacht fliegen.
Waren Sie mit dem Icaré II schon einmal selbst in der Luft?
Nein, davor habe ich zu großen Respekt. Ich hätte zwar die entsprechende Fluglizenz und fliege den größten Teil der Flugerprobung unseres zweiten Elektrofluzeugs am Institut. Aber ich habe für meinen Geschmack zu wenig Erfahrung mit sehr langsamen und trägen Flugzeugen, wie unser Icaré eines ist. Auch wenn es reizvoll ist, ungewöhnliche Flugzeuge zu fliegen, bin ich der Meinung, wenn man ein Risiko minimieren kann, sollte man das tun. Nicht, dass ich unserem Solarflugzeug nicht traue, aber es gibt andere Piloten, die das besser können.