Der Rosensteinpark ist das ideale Zuhause für Feldhasen Foto: Kraufmann

Hasenmetropole ade: Vor zehn Jahren lebten in Stuttgart noch knapp 150 Mümmelmänner pro Hektar, mittlerweile sind es nur noch 80. Doch nicht nur die Anzahl verringert sich.

Stuttgart - Die Hasen haben es gut im Rosensteinpark. Auch im Unteren und Mittleren Schlossgarten fühlen sie sich wohl – sehr sogar. Dort sind sie praktisch keinerlei Feinden ausgesetzt. Gefahr durch Füchse, Greifvögel oder Mähdrescher besteht im Gegensatz zu landwirtschaftlich genutzten Feldern nicht. Für den Hasen gibt es im Park zudem jede Menge Deckungsmöglichkeiten und die schonend bewirtschafteten Wiesen bieten genug Grünzeug für die scharfen Hasenzähne. So gesehen müsste die vermehrungsfreudige Hasenpopulation eigentlich stetig wachsen. Vor allem um Ostern, denn bei den Hasen beginnt jetzt die Paarungszeit. Doch das Gegenteil ist der Fall: Laut der Wildforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg in Aulendorf gibt es in Stuttgart immer weniger frei lebende Feldhasen.

Im Frühjahr 2014 wurden zuletzt 80 Hasen pro 100 Hektar gezählt. Zweimal jährlich, einmal im Frühjahr und einmal im Herbst, werden sie für den sogenannten Niederwildzensus gezählt. Tagsüber gehen die Hasen weitestgehend in Deckung und sind für den Menschen kaum sichtbar, doch nachts lassen sie sich bei der Futtersuche relativ leicht entdecken. In der Dunkelheit fahren die Hasenzähler der Wildforschungsstelle eine feste Referenzfläche ab und ermitteln mit Hilfe eines Scheinwerfers und eines mechanischen Zählgeräts die durchschnittliche Hasenanzahl. Das ist gar nicht so einfach: Die Hasen springen mit einer Laufgeschwindigkeit von bis zu 80 Kilometern pro Stunde vor dem Lichtkegel des Scheinwerfers davon. Gruppen sind dabei nicht zu beobachten. Der Hase ist – einmal abgesehen von der Paarungszeit, in der es mitunter sehr gesellig zugehen kann – ein Einzelgänger.

Aktuellere Ergebnisse als die vom letzten Frühjahr gibt es derzeit nicht. Schuld daran sind die Großbaustellen im Schlossgarten und am Rosensteintunnel. 80 Hasen pro 100 Hektar – ein ernüchterndes Ergebnis für Guido Dalüge von der Wildforschungsstelle: „Wir stellen in der Tat fest, dass der Hasenbestand immer mehr zurückgeht.“ Für die geringere Hasenanzahl gibt es laut Dalüge unterschiedliche Faktoren. Zum einen habe man bei der letzten Zählung eine deutlich kleinere Fläche abgefahren als sonst üblich. Auf lediglich rund 60 Hektar der insgesamt rund 110 Hektar großen Fläche wurde gezählt. „Das liegt an den Baustellen. Klar ist, dass wir auf einer kleineren Fläche auch weniger Hasen finden. Daher sind die Zahlen ab Baubeginn nur bedingt repräsentativ. Inwieweit die Baustelle für den Schwund verantwortlich ist, lässt sich nicht genau sagen.“ Für Dalüge kommt noch ein weiterer möglicher Grund infrage. Die Hasenpopulation in Stuttgart vermehrt sich vermutlich nur untereinander und bildet daher eine sogenannte Inselpopulation. „Das führt über Jahre betrachtet zu einer genetischen Verarmung, da kein genetischer Austausch mit anderen Hasen stattfindet“, sagt Guido Dalüge. Infolgedessen beobachtete er auch, dass die Hasen immer kleiner werden. „Wir konnten das noch nicht wissenschaftlich belegen, aber die Schlussfolgerung liegt nahe.“ Im Normalfall wiegen die Hasen zwischen vier und sechs Kilogramm.

Vor einigen Jahren noch galt die schwäbische Landeshauptstadt als Hasenmetropole. Die meisten Hasen wurden zuletzt im Herbst 2003 gezählt: stolze 170 Stück pro 100 Hektar. „Das war ein extrem warmes und trockenes Jahr und daher ideal für Feldhasen“, sagt Dalüge. Doch die allgemeine Tendenz geht von Jahr zu Jahr zunehmend nach unten, kleine Schwankungen sind möglich.

Warum zieht es die Hasen in die Nähe der Menschen? Thomas Seitz von der Stuttgarter Wilhelma sagt dazu: „Genau lässt sich nicht sagen, warum die Hasen so nah an uns Menschen herankommen. Sicher ist auf jeden Fall, dass diese Hasen nicht so scheu sind wie andere Artgenossen in freier Natur. Außerdem sind sie extrem gut angepasst und kommen in Siedlungsräumen sehr gut zurecht.“ Auch wenn momentan in Stuttgart weitaus weniger Hasen hoppeln als damals, sind es vergleichsweise immer noch deutlich mehr als auf einer normalen, gleich großen Ackerfläche. „Im Schnitt leben im Moment rund viermal so viele Hasen im Rosensteinpark und im Schlossgarten als auf einem herkömmlichen Feld in freier Wildbahn“, sagt Seitz.