Für die Stadtwette tanzten 100 Bauarbeiter mit Atze Schröder (vorne) zum Lied „YMCA“ Foto: dpa

Die Strategie der „Wetten, dass . .?“-Macher geht nicht auf: Trotz guter Wett-Ideen schalten nur 6,31 Millionen Zuschauer ein. So wenige waren es noch nie in der 33-jährigen Geschichte des Showklassikers. Zeit für einen Trainerwechsel?

Karlsruhe - Nun ist es also endgültig passiert. Der RTL-Dschungel ist nicht nur unterhaltsamer, frischer, frecher, intelligenter als „Wetten, dass . .?“ – er hat auch mehr Zuschauer. Am Samstagabend schaffte die schrille Urwald-Sause das Überholmanöver und zog mit 8,33 Millionen Zuschauern trotz zwei Stunden späterer Sendezeit erstmals am ZDF-Show-Überbleibsel vorbei, das mit nur noch 6,31 Millionen einmal mehr die schlechteste Quote aller Ausgaben verzeichnete – ever, ever, ever, wie Sonja Zietlow und ihr Lach-Assistent Daniel Hartwich spötteln würden.

Gerade das junge Publikum ist regelrecht auf der Flucht vor „Wetten, dass . .?“. In ganz Deutschland, man muss sich das vorstellen und auf der Zunge zergehen lassen wie eine australische Feldlaus, schauten nur noch 1,59 Millionen Menschen unter 50 Jahren am Samstag „Wetten, dass . .?“. Europas einst größte Fernsehshow wird zum Minderheitenprogramm. Was Twitter-Userin KekshirnKruemel am Abend schrieb, war bitterböse, gehässig und traf den Kern: „Wetten dass ist wie ein alter Mann im Koma – keiner traut sich, endlich die Geräte abzustellen.“

Lanz erntet höflichen Applaus für Witz über Online-Petition

Es war schlimm. Obwohl, falsch – es war eher traurig, und das lag nicht nur an Markus Lanz, der erneut so hilflos, so überfordert wirkte, frei von Charme, frei von Eloquenz. Bereits nach zwei Minuten setzte er langwierig zu einem Gag an. Man ahnte, gleich wird es um die aktuellen Online-Proteste gegen seine Person gehen – bis Sonntagmittag hatten sich im Internet 210 000 Nutzer für eine Absetzung von Lanz’ Talkshow ausgesprochen. Und da war er auch schon, der befürchtete Petitions-Gag: „Ich hoffe, Sie sind ohne Turbulenzen in dieses Jahr gestartet. Auch ich habe mir vorgenommen, es etwas gemütlich angehen zu lassen. Und ich muss sagen, gerade mit Blick auf die vergangenen Tage ist mir das hervorragend gelungen, finden Sie nicht?“ Oh weh. Höflichkeitsapplaus in Karlsruhe.

Dann begrüßte er gewohnt umständlich Ex-Boxerin Regina Halmich: „Schön, dass du da bist. Schön, dass du da bist“ (er sagt immer alles doppelt, sicher ist sicher). Offenbar fand es Lanz schön, dass sie da ist. Und dabei ist Halmich Linksauslegerin. Der Moderator erklärte nochmals, für alle, die es noch nicht mitbekommen hatten: „Wir sind in Karlsruhe, in einer der schönsten Städte Europas, muss man mal sagen, für die, die es nicht wissen, Neckarstadt.“ Davon wussten die Karlsruher bisher nichts, muss man mal sagen, dass ihre Stadt direkt am Neckar liegt.

Dann kam auch noch Atze Schröder, der behäbige Hilfs-Humorist, der Philipp-Lahm-Witze macht: „Philipp Lahm hat mal gesagt, es gibt keine Kleinen mehr im Fußball.“ Haha. Ja, es liegt auch an Lanz, aber nicht nur. Die ganze Redaktion wirkt mutlos und verängstigt wie ein Bundesligist auf Platz 18. Weil eh kaum mehr junge Zuschauer einschalten, setzt man mit Gästen wie Bergdoktor Hans Sigl, Dauergast Peter Maffay und der schwangeren Yvonne Catterfeld von vornherein auf die Generation Ü 50. Mutlos, einfallslos.

Wie es mit „Wetten, dass..?“ weitergeht, ist offen

Hollywood-Star Liam Neeson langweilte sich und blieb nur so lange, wie er musste. „Er ist ein Hollywoodstar“, erklärte Lanz, deshalb müsse er nach Paris. Der Moderator wanzte sich hölzern ans Publikum heran: „Ich würde ja nicht zu den Franzosen fahren, ich würde in Karlsruhe bleiben“, in einer der schönsten Städte Europas, und fast direkt am Neckar.

Dabei waren die Wetten klasse wie lange nicht – vom Mann, der Pfandflaschen aus einem Meter Abstand in den Automaten warf, über Hermann Maier, der eine Skipiste schneller runterfuhr als ein Rallyefahrer im 400-PS-Renner bergauf, bis zur Frau, die in einem Haufen von 1111 Nadeln die einzige Nadel fand, die neu dazugekommen war, und die trotzdem in zwei Versuchen knapp scheiterte. Dennoch, das war klasse. Doch wie kommentierte Lanz die Wette? „Beim nächsten Mal legen wir einfach eine Naddel hin, dann geht das besser“, ulkte er, und Karlsruhe raste – nicht. Dreieinhalb klatschten.

Am 22. Februar kommt die Show live aus Düsseldorf, am 5. April aus dem badischen Offenburg. Wie es danach weitergeht, ist nicht bekannt. Das Potenzial wäre da, immer noch, für große Fernsehunterhaltung. Wenn „Der Bergdoktor“ an einem Donnerstag fast sieben Millionen Zuschauer anlockt, müsste „Wetten, dass . .?“ am Samstagabend, verflixt noch mal, auch heute noch zehn Millionen schaffen. Vielleicht hilft doch ein Trainerwechsel und macht der ganzen Truppe neuen Mut. „Wir versuchen jetzt mal, diese Bilder hier wieder irgendwie aus dem Kopf zu bekommen. Das wird schwer, aber wir versuchen das“, verabschiedete sich Markus Lanz. Es war sein zutreffendster Satz an diesem Abend.