Auf die Kirchen wartet ein schmerzhafter Reformprozess. Foto:  

Die evangelische Kirche streicht Pfarrstellen und will sich von Gebäuden verabschieden: Die anstehenden Reformen tun weh, können aber auch viel Gutes bewirken.

Obwohl sich die Kirchensteuer-Einnahmen derzeit noch auf Rekordniveau bewegen, müssen die Kirchenoberen ihre Gemeinden auf schwierige Zeiten einschwören. Die Steuereinnahmen werden bald schrumpfen, der zunehmende Mitgliederschwund lässt bei den Verantwortlichen alle Alarmglocken schrillen. Hinzu kommen enorme Kostensteigerungen und ein hoher Sanierungs- und Verwaltungsbedarf bei vielen Gebäuden.

 

Frust und Unruhe

Welche Auswirkungen das alles haben wird, ist zuletzt im evangelischen Kirchenbezirk Böblingen deutlich geworden. Die Ansage der Landeskirche, mit dem „Pfarrplan 2030“ weitere rund 30 Prozent der Pfarrstellen zu streichen, verursacht Frust und Unruhe. Gleichzeitig hat der Böblinger Dekan Markus Frasch einen transparenten Reformprozess angestoßen, der möglichst viele Gemeindeglieder mitnehmen und die Chancen herausarbeiten soll. In der Bezirkssynode mit rund 60 Delegierten aus allen Kirchengemeinden im Raum Böblingen/Sindelfingen/Schönbuch wurden Modelle besprochen, wie die Gläubigen mit weniger Pfarrern auskommen können. Klar ist schon jetzt, dass viel mehr Kooperationen zwischen den Gemeinden auch über Ortsgrenzen hinaus entstehen müssen – was sicher zu Zähneknirschen führt, aber auch Möglichkeiten birgt.

Gerade in einer Stadt wie Böblingen, wo aus viereinhalb Pfarrerstellen bis 2030 drei Stellen werden sollen, ist es überfällig, dass die Gemeinden stärker zusammenarbeiten. Einfaches Beispiel ist die Betreuung der Konfirmanden, die in vielen Kleingruppen sehr personalintensiv ist und auch in etwas größeren Einheiten funktionieren kann. Oder auch bei Gottesdiensten, die in Böblingen bereits zeitlich gestaffelt gehalten werden, wodurch ein Pfarrer zweimal hintereinander zum Einsatz kommen kann. Oder natürlich in der Verwaltungsarbeit, die – zentral organisiert – enormes Synergie-Potenzial birgt.

Ein gemeinsames Gemeindefest?

Aber auch in ländlicheren Regionen sind die Gemeinden aufgerufen, über den Ortsrand hinauszublicken. Zum Beispiel könnten Aidlingen, Deufringen, Dachtel, Ehningen und Dagersheim oder auch Holzgerlingen, Altdorf und Weil im Schönbuch jeweils eine Einheit bilden, die von mehreren Pfarrern im Team betreut werden. Die Geistlichen hätten dann die Luft, sich thematisch besser aufzuteilen. Und warum sollen die Gläubigen das Gemeindefest nicht auch einmal gemeinsam und ortsübergreifend organisieren?

Hinzu kommt die Gebäudefrage – gerade in den Städten steckt hier gleichermaßen Sprengstoff wie Entwicklungsmöglichkeit. In Sindelfingen, wo der überdurchschnittliche Mitgliederschwund mehr Druck macht als anderswo, ist bereits beschlossen, dass die Goldberg-Versöhnungskirche und zweieinhalb Gemeindehäuser aufgegeben werden sollen. In Böblingen denkt man über ähnliches nach. Verwaltungs- und Sanierungsbedarf bringen die Gemeinden an die Grenze. Auch wenn es die Gläubigen vor Ort schmerzt, ist es infrastrukturell natürlich sinnvoll, Treffpunkte und Raumangebote zusammenzulegen. Und da könnten katholische und städtische Gebäude eigentlich gleich in die Überlegungen mit einbezogen werden. Denn in manchen Stadtteilen sitzen Bürgertreffs und Gemeindehäuser beider Konfessionen sehr eng aufeinander – die Nutzerzahlen dagegen sind jeweils überschaubar. Warum nicht gemeinsam nutzen?

Genug Kraft durch Austausch

Letztlich darf es bei all diesen organisatorischen Fragen nicht bleiben. Die Kirchen und ihre Anhänger sollten die Reformen zum Anstoß nehmen, sich auch inhaltlich zu öffnen und neue Ideen zu entwickeln. Ein Mehr an Miteinander und gegenseitiger Austausch würde den Gemeinden gut tun. Nach wie vor leisten die Kirchen und ihre Mitglieder vor Ort wertvolle Arbeit. Und sie sollten weiterhin kraftvoll wirken können.