Schauplätze wie bei Bond: Til Schweiger in Moskau Foto: Warner Bros.

Bei Komödie („Kein Ohrhasen“) und Drama („Honig im Kopf“) hat Til schweiger bewiesen, dass er ein Millionenpublikum in die Kinos locken kann. Nun versucht er sich unter der Regie von Christian Alvart an Thriller-Action auf der großen Leinwand – indem er das Betätigungsfeld seiner Rolle als „Tatort“-Kommissar Nick Tschiller ausweitet.

Stuttgart - Den ersten kleinen Triumph feiert Til Schweiger gleich in der ersten Sekunde: Er ist ihn endlich los, den von ihm so ungeliebten, berühmten „Tatort“-Vorspann. Schluss mit blau-weiß blinkendem Fadenkreuz und flüchtender Silhouette, statt Klaus Doldinger gibt es harten Rap auf die Ohren. Wie Schimanski 1985 mit „Zahn um Zahn“ wagt nun auch Nick Tschiller den Sprung auf die große Leinwand. Hatte Götz George dafür die üblichen 90 Minuten Zeit, gönnt Schweiger sich eine Dreiviertelstunde mehr. Acht Millionen Euro hat „Tschiller: Off Duty“ gekostet.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen mit imposanten Schauwerten und furiosen Action-Einlagen – bisweilen kommen Bond-Gefühle auf, ein Quantum „Tatort“-Trost gewissermaßen. Bei High-Tech-Schnickschnack und eleganten Outfits kann der deutsche LKA-Beamte mit dem britischen Agenten zwangsläufig nicht mithalten, in Sachen Coolness, Leinwandpräsenz und dem Erobern geheimnisvoller Schönheiten zieht er gleich. Im Unterschied zum letzten, ziemlich zugeknöpften Bond, zeigt Tschiller sich dabei ganz traditionell noch oben ohne. Spektakulär geraten sind die Verfolgungsszenen, eine recht bleihaltige Flucht über die Dächer von Istanbul oder eine wilde Hatz durch die Straßen von Moskau. Statt eines Panzers, wie einst Pierce Brosnan in „Goldeneye“ (1995), nutzt Schweiger ein anderes überdimensionales Gefährt – welches, darf hier natürlich nicht verpetzt werden.

Große Geheimnisse bei der Handlung gibt es indes kaum. Der Plot passt auf einen Bierdeckel, die Figuren purzeln aus der Klischeekiste. Macht nichts, das Genre kommt ganz gut ohne komplexe Konstruktionen aus. Hauptsache, Spannung, Action und Atmosphäre laufen auf Hochtouren. Die Tschiller-Tochter Lenny (überzeugend gespielt von Schweiger-Tochter Luna) gerät in die Fänge mafiöser Mädchenhändler. Der Hamburger Kommissar außer Dienst nimmt prompt die Verfolgung auf. Nach einem Zwischenstopp in Istanbul, wo man alte Erzrivalen und verloren geglaubte Verbündete trifft, führt die heiße Spur in die russische Hauptstadt, mitten ins Zentrum der Macht.

Fahri Yardim darf seine Position als lakonisch komischer Sidekick erheblich ausbauen

Natürlich darf bei dieser „Mission Impossible“ des Ermittlers bewährter Partner Yalcin Gümer alias Fahri Yardim nicht fehlen. Im TV-„Tatort“ längst zum heimlichen Publikumsliebling avanciert, darf Yardim seine Position als lakonisch komischer Sidekick hier erheblich ausbauen – und Schweiger lässt sich so bereitwillig die Comedy-Show stehlen wie einst von Dieter Hallervorden bei „Honig im Kopf“. Klar, dass diese Bad-cop/funny-cop-Konstellation für alle Beteiligten zum Gewinn gerät, vor allem zur Gaudi der Zuschauer.

Mit seiner selbstironischen Leichtigkeit macht Yardim selbst den altgedienten „Tatort“-Spaßvögeln aus Münster ernsthaft Pointen-Konkurrenz. Für politische Spitzen taugt der Krimi-Kasper gleichfalls bestens: „Der trifft sich mit Angela und geht mit Putin nackt Bären reiten“, beschreibt er den bösen Oligarchen, der putzigerweise auf den Namen Kinski hört. „Die Türkei verändert sich“, klagt er an anderer Stelle, und auch das homophobe Publikum am roten Teppich in Moskau schockiert er gleichsam nebenbei, als er seinem Buddy provokativ lustvoll an den Hintern fasst.

Das Thema Selbstjustiz bleibt gänzlich unreflektiert

Auch ohne Einsatz von Helene Fischer schickt Schweigers Stammregisseur Christian Alvart seine Beteiligten mit einem ambitionierten Action-Trommelfeuer atemlos durch die Nacht. Seine Popcorn-Achterbahn rattert dramaturgisch gut geölt, temporeich und atmosphärisch dicht. Das Thema Selbstjustiz, selbst jenseits politischer Korrektheit, so gänzlich unreflektiert und ohne Brüche zu belassen bleibt eine vertane Chance des Drehbuchs – auch hier freilich gibt es eine Schnittmenge zu 007.

Von dumpfen Papa-rächt-Tochter-Krimis wie „Taken“ ist „Tschiller: Off Duty“ immerhin weit entfernt. Neben dem versenkten Vorspann bleibt Til Schweiger noch ein weiterer Triumph: Die traditionelle Twitter-Häme, die sonst die sonntäglichen TV-Ausstrahlungen im Sekundentakt begleitet, hat diesmal keine Chance.