Luc Besson erweist sich mit seinem Thriller-Märchen „DogMan“ als großer Fabulierer – und Hauptdarsteller Caleb Landry Jones als Oscar-verdächtig.
Starr vor Angst steht Doug (Caleb Landry Jones) auf der Bühne einer schummrigen Bar. Sein schwerer Körper steckt in einem schwarzen Kleid, dazu trägt er Pumps, Perücke und dicke Schichten von bröckelndem Make-up. Seine Kolleginnen mussten ihn bei geschlossenem Vorhang auf die Bretter hieven, denn Doug kann seit Jugendtagen nicht mehr laufen. Die Schienen, die seine gebrochenen Beine sonst halten, hat er abgelegt. Jetzt soll Doug so tun, als sei er Edith Piaf, als könne er sich wiegen und singen, dabei ist schon das Stehen ein Kraftakt für sich.
Doch als die Musik von Piafs „La Foule“ einsetzt, jenem Lied über zwei Liebende, die von einer wild feiernden Menge auseinander gerissen werden, vergisst Doug seine Beine, seine Angst und die Welt um sich herum.
Das Drama eines an Körper und Seele Zerbrochenen
Allein schon wegen dieser wuchtigen Szene muss man Luc Bessons Thriller-Märchen „DogMan“ gesehen haben, weil Caleb Landry Jones in ihr das gesamte Drama des an Körper und Seele gebrochenen Doug auf knappe drei Minuten verdichtet. Wie Doug sich erst panisch schwankend, dann immer selbstsicherer dem klapprigen Walzer ergibt, ist eine Oscar-verdächtige Leistung von Landry Jones, aber auch von Luc Besson, der in dieser Szene wirklich alle Register zieht, um Menschen zu rühren.
„DogMan“ baut auf Mustern klassischer Märchen im Setting einer unbestimmten Gegenwart auf und schildert die Odyssee eines Kindes, das von seinem fundamental-religiösem Hinterwäldler-Vater (Clemens Schick) und dem nicht minder sadistischen Bruder (Adam Speers) in einen Zwinger mit Hunden gesteckt wird, die fortan zur rettenden Ersatzfamilie des Jungen werden. Durch einen glücklichen Umstand kommt Doug nach Jahren der Folter in ein Internat, wo ihm die Schauspiellehrerin Salma (Grace Palma) Shakespeare und die Kunst des Verkleidens nahe bringt. Doch Salma wird ihm wie im Lied von Edith Piaf nach kurzem, glücklichen Taumel entrissen, als Erwachsener sammelt Doug, inzwischen Biologe und Direktor eines Hundeheims, jeden Artikel über die erfolgreiche Schauspielerin.
Ein rau-romantischer Bilderbogen
Aus dieser Liebe kann nichts werden, statt mit Menschen umgibt sich Doug weiterhin nur mit Hunden im selbstgewählten Exil in einer verlassenen Schule. Im Verlauf der vielschichtigen, poetischen Erzählung wird der Underdog zum Juwelendieb, zur Dragqueen und zum Rächer von Leuten im Viertel, die von mexikanischen Gangstern bedroht werden. Schließlich sitzt Doug blutüberströmt in Marilyn-Monroe-Aufmachung in einer Verhörzelle und berichtet der Psychologin Evelyn (Jojo T. Gibbs) von seinem Leben, das Luc Besson in Rückblenden als rau-romantischen Bilderbogen entrollt.
Zuletzt war der Schöpfer von Werken wie „Leon, der Profi“ oder „Das fünfte Element“ wegen inzwischen juristisch ad acta gelegter Missbrauchsvorwürfe in der Kritik. Mit „DogMan“ zeigt sich Besson als großer Fabulierer, der auch nicht vorm Einsatz von Kitsch und teils überzogener Gewalt zurück schreckt. Der hoch emotionalisierte Genre-Mix mag manche überrollen. Genau das aber ist wunderbar.
DogMan. F 2023. Regie: Luc Besson. Mit Caleb Landry Jones, Jojo T. Gibbs. 114 Minuten. Ab 16 Jahren.