Der Mann für die italienischen Momente im deutschen Spiel: Wahl-Römer Miroslav Klose will auch im Halbfinale jubeln – gegen Italien. Foto:  

Stürmer von Lazio Rom will Sprachkenntnisse nutzen und den Gegner aushorchen – oder spielt doch Gomez?

Danzig - Bei einer EM ist jedes Spiel wichtig, aber im Halbfinale gegen Italien ist Miroslav Klose (34) besonders motiviert – auch auf die Gefahr hin, dass er sich in seiner Wahlheimat unbeliebt macht.

Der Mann ist ganz schön herumgekommen in seinem Leben. Von seinem polnischen Geburtsort Oppeln siedelte Miroslav Klose mit seinen Eltern in die Pfalz um, da war er neun Jahre jung. In Kaiserslautern lernte er als Profi die Pfälzer Beschaulichkeit kennen, nach seinen weiteren Bundesliga-Stationen weiß er die Mentalität zwischen Deutschland-Nord (Bremen) und Deutschland-Süd (München) zu unterscheiden, aber das größte Abenteuer bewahrte er sich für den Spätherbst seiner Karriere auf. „In Italien“, sagt der Angreifer von Lazio Rom, „ist alles doch ein wenig anders.“

An manches hat er sich gewöhnt, anderes nimmt er stillschweigend hin. „Am Trainingsgelände wollen mich die Fans immer auf beide Wangen küssen. Das ist hier so üblich.“ Ob es ihm gefällt oder nicht. Populär ist er überall, aber in Bella Italia sind die Fans noch ein bisschen exaltierter als anderswo. „Ich war schon öfter im Zentrum von Rom. Eine großartige Stadt, allerdings kann ich mich nur gut vermummt mit Sonnenbrille und Mütze fortbewegen, damit mich keiner erkennt. Sonst komme ich überhaupt nicht vorwärts“, sagt er. Dass er als Star die Bälle zum Training schleppt, ist für ihn selbstverständlich. Dass sich seine Kollegen darüber wundern, eher nicht: „Wollt ihr Lauftraining machen, oder warum braucht ihr keine Bälle?“, fragt er dann.

„Sie nehmen halt alles gelassener“

Der Respekt gebietet es, das folgende Thema nur deshalb anzuschneiden, weil ein italienischer Kollege neulich danach gefragt hat. „Sind die Italiener faul, wie es das Klischee behauptet“, wollte er von Klose wissen. Der zögerte und sagte: „Ich würde nicht sagen, dass sie faul sind. Sie versuchen immer, alles zu geben, ihr Gesichtsausdruck lässt zumindest darauf schließen. “ Auch beim Fußball. „Da wird im Training auch jeder Beinschuss gefeiert. Die Italiener interpretieren Fußball einfach anders.“ Puh, da hat er gerade noch die Kurve gekriegt.

Keine Frage, im Team von Joachim Löw ist Klose der Spezialist für die italienischen Momente des Lebens. Die Frage ist nur, ob er am Donnerstag (20.45 Uhr/ARD) in Warschau auch Löws Mann für die Startelf ist. „Ich gehe davon aus“, sagt Klose. Zumindest bereite er sich so vor, „als ob ich spielen würde“. Aber da ist ja noch Mario Gomez. Der Münchner war in der Vorrunde gesetzt, erzielte drei Tore. Im Viertelfinale kam Klose zum Zug, traf ebenfalls. Und nun, Herr Löw? Klose? Gomez? Der Bundestrainer ist in Personalfragen ja unberechenbar geworden. Und er gefällt sich in seiner neuen Rolle.

Klose hat in 120 Länderspielen 64 Tore erzielt, sein Schnitt sind 0,53 Treffer pro Spiel. Gomez kam in 56 Einsätzen auf 25 Tore, seine Quote von 0,47 ist kaum schlechter. „Es ist nicht das Allheilmittel, mit der Mannschaft zu spielen, die gewonnen hat“, sagt Löw. Manchmal seien eben andere Spielertypen gefragt. Gegen Griechenland war es Klose, ist es gegen Italien wieder Gomez?

Brehme davon überzeugt, dass die italienischen Abwehrspieler großen Respekt vor Klose haben, mehr als vor Gomez

Oder doch Klose – wegen dessen aktueller Verbundenheit zu Italien? Darin sieht zumindest Andreas Brehme einen Vorteil. Der Weltmeister von 1990 ist davon überzeugt, dass die italienischen Abwehrspieler großen Respekt vor Klose haben, mehr als vor Gomez. „Die Italiener kennen Kloses gute Leistungen bei Lazio Rom. Die werden höllisch aufpassen. Und ich bin davon überzeugt, dass Miro erhobenen Hauptes nach Italien zurückkehren will“, sagt Brehme.

Das darf als sicher gelten. Und falls er spielt, will er vor nichts zurückschrecken, auch nicht vor einem Lauschangriff. Kloses Italienisch ist nach einem Jahr Rom so gut, dass er die Gespräche seiner Gegenspieler versteht. „Ich werde genau hinhören, und was ich aufschnappe, werde ich an unsere Spieler weitertragen“, sagt er.

So viel Italiener ist Klose also schon, wobei seine Annäherung an die südliche Lebensart nicht grenzenlos ist. „Das Einzige, was mir schwerfällt, ist, dass die Italiener so spät essen. In Deutschland war ich gewohnt, um 21 Uhr ins Bett zu gehen. Um diese Zeit fangen die ja erst mit dem Abendessen an“, sagt er. Insofern war das vergangene Jahr ja eine gute Lehrzeit: Auch die Partie in Warschau beginnt erst um 20.45 Uhr. Klose, davon ist auszugehen, wird hellwach sein.