Herzogin Wera bei einer Kutschfahrt mit ihren Töchtern Olga und Elsa und ihrer Adoptivmutter Königin Olga Foto: H. Zwietasch, Landesmuseum Württemberg

Die engen Beziehungen zwischen dem Zarenhof in St. Petersburg und dem Königreich Württemberg beleuchtet „Im Glanz der Zaren“, die Große Landesausstellung im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart. Im letzten Teil der Serie zu den zentralen Frauen stellen wir Herzogin Wera vor.

Stuttgart - Stürmisch, widerspenstig und forsch: So wird die junge Wera Konstantinowna beschrieben. Ihr Verhalten gleicht mehr einem Jungen als einer jungen Dame aus dem russischen Zarenhaus. Und trotzdem ist die 1854 geborene Wera nicht das verstoßene Kind, als welches sie vielfach bezeichnet wird.

Wera ist launisch, beißt und schneidet sich aus einer Laune heraus die Haare ab. Am russischen Hof ist man der Überzeugung, dass das wärmere Klima in Süddeutschland und der Aufenthalt bei ihrer Tante, der württembergischen Kronprinzessin Olga, dem Mädchen guttun würden. Und so kommt Wera mit neun Jahren 1863 nach Stuttgart. Ihr seelisches Ungleichgewicht beruht womöglich in einem Attentat auf ihren Vater in Polen. Wera steht ihrem Vater, dem Großfürsten Konstantin, sehr nahe.

Doch ihre Launen bessern sich nur sehr langsam. Der Wirbelwind ist für die Hofdamen nicht zu bändigen, so dass ihr ein Offizier zur Seite gestellt wird.

Auch Olga kann sich nur schwer an die Launenhaftigkeit ihrer Nichte gewöhnen. Erst mit der Zeit entwickelt sich zwischen Wera und ihrer Tante Olga eine tiefe gegenseitige Zuneigung. 1871 adoptieren König Karl von Württemberg und seine Frau Olga Wera. Seitdem feiert die junge Frau diesen Tag wie ihre zweite Geburt. Sie fühlt sich längst in Stuttgart heimisch und ihren Adoptiveltern zugehörig.

Obwohl sich Wera in ihrer neuen Heimat zu Hause fühlt, pflegt sie engen Kontakt zu ihrer Familie in Russland. Viele Mitglieder der Zarenfamilie verbringen Kuraufenthalte in Baden-Baden, und diese werden oft mit Besuchen verbunden. Mit ihrem Vater pflegt Wera einen regen Briefwechsel und bleibt so über die Geschehnisse in Russland informiert.

Außerdem reist Wera häufig nach St. Petersburg oder zur Sommerresidenz der Zarenfamilie nach Pawlowsk. Wera ist daher keineswegs die verstoßene Tochter, sondern bleibt ein geliebtes Mitglied der Familie. Und auch in ihrer württembergischen Familie erfährt die junge Frau, obwohl adoptiert, große Wertschätzung. Bei den Krönungsfeierlichkeiten von Alexander III. 1883 und Nikolaus II. 1896 erscheint Wera in Moskau nicht nur als Familienmitglied, sondern auch als offizielle Repräsentantin des Königshauses Württemberg.

Im Alter von 19 Jahren heiratet sie Herzog Wilhelm Eugen von Württemberg und wird Herzogin von Württemberg. Wera ist verliebt in den gut aussehenden 28-Jährigen. 1875 wird Sohn Karl Eugen geboren. Doch noch im selben Jahr verstirbt das Kind. Die Trauer über den Tod ihres Sohnes wird Wera ein Jahr später durch die Geburt der Zwillinge Olga und Elsa etwas gelindert. Doch auch diese Freude endet jäh. Nach nur drei Ehejahren ist Wera Witwe. Wilhelm Eugen stirbt 1877 an einer verschleppten Erkältung. Wera wird nie wieder heiraten.

Finanziell ist Wera auch als Witwe unabhängig und auch in die offiziellen Verpflichtungen des Hofes nur wenig eingebunden. So hat sie Zeit, sich ihren Leidenschaften zu widmen. Seit ihrer Kindheit verfasst sie Gedichte, und sie ist eine begeisterte Fotografin. In der Villa Berg richtet sie ein kleines Kino ein. Dort sind die ersten bewegten Bilder zu bestaunen.

Ihre Reisen führen sie ans Meer oder in die Berge. Besonders begeistert ist Wera von St. Moritz in der Schweiz. Insgesamt 19-mal fährt sie in das Bergdorf. Ihrer Liebe zum Theater verleiht sie mit Besuchen bei den Bayreuther Wagner-Festspielen Ausdruck.

Ihre finanzielle Unabhängigkeit nutzt die Herzogin auch für soziales Engagement. Von ihrer Adoptivmutter hat sie bereits die Schirmherrschaft einiger karitativer Einrichtungen übernommen. Doch bis heute im Gedächtnis geblieben ist die Herzogin für ihr Engagement für in Not geratene Frauen. Als Wera erfährt, dass in Stuttgart eine überforderte Mutter ihr Kind in den Bahnhofsabort geworfen hatte, gründet sie die Anlaufstelle für gefährdete Mädchen und unverheiratete werdende Mütter. Den Bau des Weraheims finanziert sie aus ihrem Vermögen und setzt ihn gegen starke Widerstände aus der Bevölkerung und den Kirchen durch.

Vielleicht aus Liebe zu Württemberg tritt Wera am Ende ihres Lebens noch zum protestantischen Glauben über. Aus dem russischen Kind ist eine württembergische Dame geworden. Sie stirbt am 11. April 1912 und wird in der Schlosskirche im Alten Schloss beigesetzt.