Das Ehepaar Seidenspinner fährt stets an der Spitze des rot-blauen Bullikonvois. Foto:  

Eine eingeschworene Gemeinschaft von Bulli-Fans kommt regelmäßig zusammen. Bei Ausfahrten reiht die Kolonne sich immer abwechselnd in den beiden einzigen Farben aneinander, in denen ihre Busse produziert worden.

Böblingen - Rot, blau, rot, blau, rot, blau – so fahren die Frauen und Männer der Interessengemeinschaft LLE (Limited Last Edition) mit ihren T 3 Bulli die Rampe der Fähre von Helsinki nach Travemünde hinunter. In anderen Farben wird der T 3 VW-Bus gar nicht hergestellt. An der Spitze der Kolonne: Gudrun und Frank Seidenspinner. Der Böblinger Kinderarzt und seine Frau sind begeisterte Bulli-Fahrer und das seit 1995.

Gudrun Seidenspinner erzählt, wie sie seit ihrer Führerscheinprüfung einen VW-Bus besitzen wollte. Mit dem vierten Kind war die Sache klar. Der normale Wagen war zu klein geworden. Das Ehepaar fuhr mehrere Modelle Probe, doch nichts gefiel ihnen. Bis ein roter T 3 VW-Bus beim Gebrauchtwagenhändler stand. Für Gudrun und ihren Gatten stand fest: der oder keiner. 28 000 Mark kostete der Wagen – heute ist er etwa 20 000 Euro wert.

Joachim Merker meint, der letzte original erhaltene in seinem Club sei für knapp 40 000 Euro angeboten worden. Er und Herbert Mävers haben die Gemeinschaft gegründet. Ein echter T 3 limited hat ein Zertifikat und eine Türnummer. Rund 80 Fälschungen haben die Clubmitglieder aufgespürt. Merker kennt jede Nummer der 450 Mitglieder der Interessensgemeinschaft. „Seidenspinner? 1123“, sagt er.

Nur echt mit der Originalnummer in der Tür

Die Sonderedition wurde von 0001 bis 2500 durchnummeriert. Die Nummer ist an der Fahrertür eines jeden Bulli sichtbar. Gudrun Seidenspinner wusste davon nichts, als sie erstmals mit ihrer Familie auf ein Treffen der LLE fuhr. Die erste Frage war: Wie lautet die Türnummer? Die Seidenspinners mussten nachsehen, bevor sie die Gemeinschaft der Gleichgesinnten aufnahm. Seitdem besuchen sie so gut wie jedes Treffen. „Es haben sich Freundschaften ergeben, auch unter den Kindern“, erzählt Gudrun Seidenspinner. Die Kinder sind mittlerweile erwachsen. Nesthäkchen Lars wird am 26. August 24 Jahre alt, just nach dem Wochenende, an dem sich die Bullifahrer wieder treffen. Immer am letzten vollständigen Augustwochenende und an Fronleichnam kommen sie zusammen.

Merker und Mävers gründeten 1993 die Gemeinschaft und organisierten Fronleichnam 1994 ihr erstes Treffen in Celle am Silbersee. Sechs Busse seien es damals gewesen, erzählt Merker, drei in tornado-rot und drei in orlyblau-metallic. Ihre erste Ausfahrt in Rot-Blau-Formation ging zum VW-Museum nach Wolfsburg. Handschriftlich habe er die Fans eingeladen und an jeden Scheibenwischer eines LLE, den die beiden entdeckten, einen Zettel gesteckt, der Besitzer möge sich melden.

Zehn Tage Ausfahrt von Puttgarden bis Helsinki

Alle Mitglieder tragen bei ihren Treffen ein Oberteil in der Farbe ihres Wagens mit ihrer Türnummer aufgedruckt. So wie der Schweizer Lorenz Schmuckli. Er lebt mit seiner finnischen Frau in Helsinki und war Anstoß dafür, dass sich die Fangemeinde länger als ein Wochenende rot-blau formierte. Mit der Fähre starteten sie in Puttgarden, fuhren durch Kopenhagen in rot-blau, weiter nach Schweden, und am Schluss besuchten sie Schmuckli in Helsinki. Zehn Tage waren sie unterwegs.

Seidenspinners Kilometerzähler sprang bei seinem Benziner während der Fahrt auf 222 222. Den höchsten Kilometerstand mit Originaldieselmotor hat Mävers mit 471 000. Er fährt seinen Bulli ganzjährig. In Köln gebe es so gut wie keinen Schnee, da bestehe keine Gefahr. Bei Seidenspinners ist der Bulli vom Alltags- zum Saisonauto geworden. Schnee und Streusalz wollen sie ihrem Kultauto nicht mehr zumuten. Schließlich wollen es die Kinder einmal weiterfahren. „Intern sammeln sie Punkte, bei wem das Auto die bessere Garage hat oder am besten gepflegt wird“, erzählt Mutter Gudrun und lacht. Bisher bekommt weder eine ihrer drei Töchter noch der Sohn den Bulli ausgeliehen. „Wenn dem etwas passierte, das wäre ein Drama“, meint ihre Mutter. Mitfahren ja, wie einst zu Kinderzeiten, aber nicht am Steuer.

Zum Vererben haben sie noch Zeit. Erst will das Ehepaar im Ruhestand durch Deutschland tuckern. Frank Seidenspinner möchte die ganze B 27 fahren, seine Frau die B 2. Beide verbinden mit diesen Strecken Erinnerungen: Frank Seidenspinner fuhr die B 27 während seines Studiums in Tübingen und seiner Assistenzarztzeit in Stuttgart, Gudrun Seidenspinner die B 2 mit ihren Eltern in den Urlaub. Aber vorerst fahren sie am Wochenende in die Rhön, zum nächsten Bulli-Treffen.