Noch-Bürgermeister Rüddel ist dreifacher Vater, siebenfacher Großvater und dreifacher Urgroßvater. Foto: dpa

Josef Rüddel, Bürgermeister von Windhagen, hat den ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer mit Kartoffeln beliefert und ist auf der A3 noch mit dem Pferdefuhrwerk gefahren. Nun ruft der Ruhestand.

Windhagen - Er hat den ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer mit Kartoffeln beliefert und ist auf der A3 noch mit dem Pferdefuhrwerk gefahren. 1963, im letzten Amtsjahr Adenauers, ist Josef Rüddel Bürgermeister von Windhagen im Kreis Neuwied geworden. Seitdem hat er sein Dorf an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen ununterbrochen politisch geleitet, 56 Jahre lang, als ehrenamtlicher Ortsbürgermeister von seinem Wohnzimmer aus.

„Ich hatte 14 Wahlen, immer mit Gegenkandidaten, genau habe ich das gar nicht gezählt“, sagt der 94-jährige Christdemokrat. Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund in Berlin heißt es: „Er ist sehr wahrscheinlich der dienstälteste und auch der älteste Bürgermeister Deutschlands.“

Nun naht Rüddels letzte Amtshandlung: die Betreuung der Kommunalwahl an diesem Sonntag (26. Mai) in seinem Ort. Er selbst tritt nicht mehr an - der Ruhestand ruft.

Weiße Haare, wache, blaue Augen, graues Hemd - Rüddel erzählt lebendig von sehr frühen Lebensstationen: 1944 Soldat in Polen, Ende Mai 1945 in Kriegsgefangenschaft aus einem fahrenden Zug getürmt, 1955 als 30-jähriger Landwirt in den Gemeinderat von Windhagen im Westerwald gewählt worden. Seinerzeit hat er auch Adenauer mit Kartoffeln an dessen nahem Wohnort Rhöndorf in Nordrhein-Westfalen versorgt: „Adenauer hat mich mit „Guten Morgen“ begrüßt, ist aber auch schon frühmorgens abgeholt worden.“ Rüddel fährt fort: „In Windhagen gab es damals erst zwei oder drei Autos. Ich war noch mit einem Pferdefuhrwerk unterwegs.“ Damit sei er auch auf der schon in der NS-Zeit gebauten Autobahn 3 gefahren.

Dreifacher Vater, siebenfacher Opa und dreifacher Uropa

Diese wichtige Autobahn beschert der direkt angrenzenden Gemeinde Windhagen in der Nachkriegszeit einen Aufschwung. Bedeutende Firmen siedeln sich an dem verkehrsgünstigen Standort an, auch heute sprudelt die Gewerbesteuer in der schuldenfreien Ortsgemeinde. Inzwischen sind es laut Rüddel deutlich mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr. Der ehrenamtliche Bürgermeister lächelt verschmitzt in seinem weißen alten Fachwerkhaus mit den gediegenen Möbeln: „Wir sind zufrieden. Wir müssen nicht zur Sparkasse oder Raiffeisenbank gehen, wir haben eigentlich eine eigene Bank.“

1970 sind Windhagen und die Nachbargemeinde Rederscheid zusammengelegt worden. Die gesamte Einwohnerzahl hat sich laut Rüddel seit seinem Amtsbeginn auf rund 4500 ungefähr verdreifacht. Es gibt zahlreiche schmucke Wohnhäuser, eine Grundschule, zwei Kindergärten, ein Geschäft und zwei Ärzte.

Noch-Bürgermeister Rüddel ist dreifacher Vater, siebenfacher Großvater und dreifacher Urgroßvater. Seine Frau Margarethe, „das Gretchen“, ist 2017 gestorben, nach mehr als sechs Jahrzehnten Ehe.

80-, 85-, 90-Jährigen und noch älteren Mitbürgern gratuliert Rüddel persönlich zum Geburtstag - die meisten Jubilare sind also jünger als er. Die meisten Einwohner haben nie einen anderen Bürgermeister kennengelernt, so auch Rüddels 47-jähriger Stellvertreter Martin Buchholz (CDU), der seinen Hut für die Nachfolge in den Ring wirft. „Ich würde mit sehr großem Respekt an diese Aufgabe herangehen. Das ist schon eine Lebensleistung.“