Annette Korte mit ihrem Hund Charly vor dem Generationenzentrum Sonnenberg. Die beiden sind ein unzertrennliches Team Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Pro Jahr landen etwa 30 Hunde und Katzen im Tierheim, weil ihre Besitzer zu alt sind, um sich um sie zu kümmern. Mit der Aktion Silberpfote will der Tierschutzverein Senioren die Tierhaltung trotzdem ermöglichen. In vielen Pflegeheimen sind Tiere mittlerweile erlaubt.

Stuttgart - Ohne Charly wäre Annette Korte nie ins Pflegeheim gezogen. Doch im Generationenzentrum Sonnenberg durfte ihr Hund mit einziehen. Seit drei Wochen leben die 71-Jährige und ihr Mischling jetzt dort. Charlys Körbchen steht in einer Ecke des Zimmers. Den Ortswechsel von ihrem Haus in Münster in ein Zimmer im Pflegeheim in Stuttgart haben die beiden gut verkraftet. Und mit Charlys schwanzwedelnder Unterstützung hat die Münsteranerin schon Anschluss gefunden. „Eine Mitbewohnerin hat sich mit uns zum Spazierengehen verabredet“, sagt Charlys Frauchen und freut sich darüber, dass ihr vierbeiniger Freund die Herzen der Heimbewohner im Sturm erobert. Und beim Gassigehen ergeben sich durch den Hund oft Gespräche mit anderen Spaziergängern und Hundehaltern. Vor fünf Jahren hat die Rentnerin Charly aus dem Tierheim geholt. Keiner wollte ihn, weil er nur drei Beine hat. „Und trotzdem ist er immer ein so fröhlicher Kerl“, sagt Korte.

 

Ins Generationenzentrum Sonnenberg ist Annette Korte gezogen, um bei ihrer Familie in Stuttgart zu sein. Es ist eines von acht Pflegeheimen unter der Regie des städtischen Eigenbetriebs Leben und Wohnen. „In unseren Heimen waren Tiere schon immer willkommen“, sagt Heimleiter Friedrich Dollt. Außer Charly lebten im Generationenzentrum schon Katzen und Vögel. Dollt befürwortet die Tierhaltung. Seine Erfahrung: „Vor allem Menschen mit Depressionen tauen durch die Tiere auf, haben durch sie einen Lebenssinn.“ Allerdings gibt es eine Voraussetzung: Die Versorgung muss durch Angehörige sichergestellt sein, damit die Tiere nicht im Tierheim landen, falls sich die Bewohner nicht mehr selbst um ihre Lieblinge kümmern können oder vor ihnen sterben.. Damit Heimbewohner, deren Verwandten das nicht übernehmen können, nicht ganz auf Tiere verzichten müssen, gibt es einen ehrenamtlichen Besuchsdienst, der das eigene Tier mit ins Heim bringt. „Nach dem Kontakt mit Tieren sind viele Heimbewohner wie verwandelt“, sagt Dollt.

Im Tierheim Stuttgart werden laut Pfleger Marcel Yusef pro Jahr etwa 30 Hunde und genauso viele Katzen abgegeben, weil ihre alten Besitzer überfordert sind. „Das ist für beide Seiten sehr schmerzhaft“, sagt Yusef und hat deshalb die Initiative Silberpfote mitgegründet. Das Projekt des Tierschutzvereins, das noch am Anfang steht, will Mensch und Tier helfen, die ehrenamtlichen Mitarbeiter übernehmen zum Beispiel im Krankheitsfall das Gassigehen, kaufen Futter oder Katzenstreu ein oder transportieren das Tier zum Tierarzt, wenn Herrchen oder Frauchen dazu nicht mehr in der Lage sind.

Johann Ilk ist einer von fünf älteren Hundehaltern, die von der neuen Initiative des Tierschutzvereins profitieren. Der Frührentner besitzt kein Auto. Doch seine 15 Jahre alte Schäferhündin Nora muss regelmäßig tierärztlich behandelt werden. „Sie ist herzkrank. Und weil sie ihren Urin nicht mehr halten kann, kann ich auch nicht mit der Bahn zur Praxis fahren“, sagt der 58-Jährige. Einschläfern lassen will er Nora nicht. „Jedenfalls nicht, solange sie keine Schmerzen und noch Spaß an ihrem Leben hat“, sagt er. Ohne die Helfer vom Tierschutzverein, die ihn und Nora zum Tierarzt fahren, hätte er keine andere Wahl.

In einem anderen Fall übernahmen die Tierfreunde das Gassigehen mit der 13 Jahre alten Mischlingshündin Mia. Ihre Besitzerin musste nach einem Sturz zwei Wochen ins Krankenhaus. Mia brachte sie bei ihrer Schwester unter. „Wegen Problemen beim Gehen konnte sie den Hund nicht ausführen. Deshalb haben wir das übernommen“, sagt Yusef. Vorstellbar ist für ihn auch, Menschen im Pflegeheim bei der Betreuung ihrer Tiere zu unterstützen. Problematisch werde es allerdings, wenn die Betreuung über einen sehr langen Zeitraum erforderlich wäre. „Hunde müssen ja zweimal am Tag raus. Um das dauerhaft zu gewährleisten, dazu fehlen uns noch Helfer“, sagt er. 63 Tierfreunde unterstützen den Tierschutzverein, ein Dutzend engagieren sich bei der Aktion Silberpfote.

Annette Korte geht davon aus, dass sie bei der Haltung von Charly keine Unterstützung brauchen wird. „Ich lebe bestimmt noch zehn Jahre und bleibe rüstig“, ist sie überzeugt. Sie weiß allerdings auch, dass Charly ihr letzter Hund ist. „Es wäre verantwortungslos, sich ein Tier zuzulegen, wenn klar ist, dass man vor ihm stirbt“, sagt sie. So wie sie denken viele Senioren: „Wer im Pflegeheim ist, schafft sich kein neues Tier an“, weiß Dollt aus Erfahrung.

Info - Helfer gesucht!

Tierhaltung ist auch in den Pflegeheimen des Diakonischen Werks Württemberg und der Caritas möglich. Entschieden wird im Einzelfall. Die Bedingungen sind die gleichen wie bei den Pflegeheimen des städtischen Eigenbetriebs Leben und Wohnen: Die artgerechte Versorgung der Tiere durch die Heimbewohner oder deren Angehörige muss sichergestellt sein.

Auch in der Seniorenresidenz Augustinum dürfen die Bewohner ihr Tier mitbringen. In der Residenz in Sillenbuch halten derzeit acht Bewohner Hund oder Katze. Ein neues Tier anzuschaffen ist nicht erlaubt. Aber es gibt Ausnahmen, zum Beispiel bei Vögeln. Die Erfahrung von Stiftsdirektor Markus Burgmeier: Die Bewohner wollen nach dem Tod ihres Tiers gar kein anderes mehr.

Weil der Umgang mit Tieren älteren Menschen guttut, haben einige Heime Streichelzoos. Das Pflegestift Münster, eine Einrichtung von Arbeit mit Menschen, hält zwei Ziegen und zwei Schafe. Die Tiere stammen aus der Wilhelma. „Tiere gehören zum Leben und öffnen die Herzen“, begründet Einrichtungsleiterin Brigitte Martin die Anschaffung.

Um Senioren bei der Tierhaltung zu unterstützen, sucht der Tierschutzverein für die Aktion Silberpfoten noch ehrenamtliche Helfer. Interessierte können sich unter der Rufnummer 07 11 / 65 67 74 - 23 oder per E-Mail: silberpfoten@stuttgart-tierheim.de beim Tierschutzverein melden.