Zwei französische Bulldoggen wurden aus Ungarn illegal nach Deutschland importiert. Eines der Tiere wurde in den Landkreis Esslingen verkauft. Foto: Peta Deutschland e. V.

Die Haltungsbedingungen sind meist katastrophal. Tiere werden im Ausland gezüchtet und illegal nach Deutschland geschafft. Ein Fall von unerlaubtem Handel mit Welpen wurde nun im Landkreis Esslingen aufgedeckt. Eine etwa sechs Wochen alte französische Bulldogge ohne Impfschutz wurde für 1600 Euro verkauft.

Kreis Esslingen - Riesengroße Glupschaugen, tapsige Bewegungen, niedliches Aussehen – Hundebabys sind zum Knuddeln süß. In Coronazeiten mit Homeoffice, viel Freizeit, wenig Alternativangeboten, psychischen Belastungen und Einsamkeitsgefühlen boomt die Nachfrage besonders. Jana Hoger von der Tierschutzorganisation Peta spricht von „einer Million mehr Haustieren in deutschen Haushalten im Vorjahr“. Und auch der illegale Handel mit den Tieren blüht. Nun wurde ein Fall mit Auswirkungen auf den Landkreis Esslingen aufgedeckt.

 

Der Fall aus dem Landkreis

Über Kleinanzeigen wurden sie auf Ebay angeboten – zwei Hundebabys aus Ungarn. Das machte Mitarbeiter von Peta stutzig. Sie gaben sich als Interessenten aus und nahmen Kontakt zu den Händlern auf: „Am Samstag, 3. April, konnte die Organisation gemeinsam mit dem zuständigen Veterinäramt und der Polizei eine der gerade einmal etwa sechs Wochen alten französischen Bulldoggen beschlagnahmen“, teilt Jana Hoger, Fachreferentin für tierische Mitbewohner bei Peta Deutschland mit Sitz in Stuttgart, mit. Das Tier habe einen stark angeschwollenen Bauch gehabt, was auf einen Wurmbefall hinweise. Der andere Welpe sei für 1600 Euro in den Raum Esslingen verkauft worden. Die Tiere wurden laut Jana Hoger illegal und ohne Impfschutz nach Deutschland eingeführt.

Verbleib in der Halterfamilie

Jeanette Pichler vom Stuttgarter Amt für öffentliche Ordnung weiß um diese Vorkommnisse. Eines der Hundebabys sei „tierseuchenrechtlich beschlagnahmt“ und in das Tierheim Stuttgart gebracht worden. Und sie habe ihre Kollegen in Esslingen darüber informiert, „dass in diesem Fall ein weiterer Welpe in den Landkreis Esslingen verkauft worden ist“. Hinweise, die im Veterinäramt des Landkreises Esslingen aufgegriffen wurden. Leiter Christian Marquardt bestellte den Käufer aus dem Kreisgebiet mit dem Welpen ein: „Nach einer Überprüfung der Sachlage durfte das Tier unter Auflagen bei seinen bisherigen Haltern bleiben.“ Der kleine Hund müsse innerhalb der Besitzerfamilie in Quarantäne gehen, er dürfe in dieser Zeit keinen Kontakt zu anderen Tieren haben, die fehlenden Impfungen müssten nachgeholt werden. Der Welpe sei viel zu früh von der Mutter getrennt worden, so der Leiter des Veterinäramtes.:„Jede Woche Verbleib in seinem Familienverband wirkt sich positiv auf das Tier aus.“ Erst ab einem Alter von neun Wochen sei ein Verkauf zu empfehlen.

Gefahr für Mensch und Tier

Auch durch den Flughafen in Leinfelden-Echterdingen ist der illegale Handel mit Welpen nach Angaben des Experten ein häufiges und geläufiges Problem im Landkreis Esslingen. Das unerlaubte Geschäft mit den Tieren blühe: „Hier ist die Gewinnmarge sehr hoch. Es ist nach Waffen und Drogen die dritthöchste illegale Einnahmequelle.“ Käufer würden meist von günstigeren Preisen angelockt und von der eigenen Ungeduld angetrieben: „Züchter haben oft lange Wartelisten.“ Christian Marquardt weist aber auf die Gefahren und Risiken durch unerlaubt und ungeprüft importierte Tiere hin: Durch den fehlenden Impfschutz würden Krankheiten eingeschleppt, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden könnten. Innerhalb der Europäischen Union seien im Vorjahr beispielsweise vier Menschen an der Tollwut erkrankt und verstorben. Und: „Käufer unterstützen ein tierschutzwidriges System.“ Der promovierte Tierarzt spricht von katastrophalen Haltungs- und Aufzuchtbedingungen der illegal importierten Tiere. Der Stress durch den Transport und die neue, ungewohnte Umgebung würden das Immunsystem weiter schwächen, sodass viele Tiere krank bei den Käufern ankämen und sogar sterben könnten.

Strengere Gesetze gefordert

Von schlimmen Tierquälereien und Millionengewinnen berichtet auch Jana Hoger: „Über 46 000 Hunde werden jeden Monat innerhalb der EU gehandelt.“ In Deutschland hätten sich – gefördert durch die Auswirkungen von Corona – Hotspots entwickelt, zu denen auch der Großraum Stuttgart gehöre. Peta fordere daher strengere Gesetze, eine gezieltere Strafverfolgung sowie das Chippen und Registrieren der Tiere. Der Handel laufe meist nach einem bestimmten Schema ab, weiß Jana Hoger aus Erfahrung: Die erste Kontaktaufnahme erfolge über Onlineportale, und der Verkauf an den neuen Halter gehe mit oft gefälschten Heimtierausweisen über die Bühne. Die Händler würden immer dreister in ihrem unerlaubten Tun: „Oft werden sogar Wohnungen angemietet, um eine seriöse Atmosphäre zu simulieren.“

Tiere ohne Tageslicht

Drehpunkte des illegalen Handels seien Ungarn, die Slowakei, die Tschechische Republik, überhaupt osteuropäische Länder: „Dort sind die Muttertiere auf Welpenfarmen tagtäglich gezwungen, teils ohne Tageslicht in engen Käfigen in ihren eigenen Fäkalien auszuharren. Viele leiden unter schmerzhaften Hauterkrankungen“, sagt die Mitarbeiterin von Peta. Seien die Hündinnen aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht mehr in der Lage, Nachwuchs zu gebären, würden sie in der Regel getötet oder ausgesetzt.

Tipps für den Hundekauf

Vor dem Kauf Horst Theilinger vom Tierheim Esslingen rät vor der Anschaffung zu einer Vorabinformierung und gründlichem Nachdenken: „Auf den Internetseiten der Tierschutzvereine kann man sich über die Eigenheiten der Tiere informieren.“ In den Tierheimen könnten Interessenten ihre künftigen Lieblinge kennenlernen und sehen, ob sie zu ihnen passen. Es sollte, so Horst Theilinger, immer bedacht werden, dass ein Tier einen Menschen in der Regel viele Jahre begleite. Daher sollte vorab geklärt werden, ob genügend Zeit für das Tier, auch in der Zeit nach Corona, aufgebracht werden kann. Zudem müssten die Kosten der Tierhaltung etwa für Steuern, Versicherungen, Versorgung, Tierarzt oder Futter mit bedacht werden.

Der Hundekauf Horst Theilinger empfiehlt, keine Tiere über das Internet zu kaufen. Interessenten sollten sich die Händler genau anschauen: „Seriöse Züchter haben in der Regel schon längere Zeit Kontakt zu den neuen Besitzern. Sie haben auch meist nur eine Rasse, und die Elterntiere können besichtigt werden.“ Auch in den Tierheimen würden weitergehende Beratungen angeboten. Es sei, meint Horst Theilinger, immer gut zu wissen, woher ein Tier komme. Dadurch hätten Halter bei Problemen einen direkten Ansprechpartner, der weiterhelfen könne. Es sollte auch geklärt sein, ob Tiere wieder zurückgenommen werden würden. Gerade bei Tierschutzvereinen ohne Tierheim trete oft die Frage auf, was passiere, wenn es Probleme gibt.

Zahlen im Landkreis Nach Angaben des Veterinäramtes im Kreis Esslingen wurden im Jahr 2019 am Flughafen in Leinfelden-Echterdingen zehn Vorgänge mit sieben Hunden, drei Katzen und insgesamt 19 Tieren festgestellt, bei denen gegen Einfuhrvorgaben verstoßen wurde. Im übrigen Kreisgebiet waren es zehn weitere Vorgänge mit insgesamt 13 Hunden. 2020 wurden am Flughafen zwölf Vorgänge mit insgesamt 29 Tieren bearbeitet. Im Esslinger Kreisgebiet kamen im Vorjahr zwölf Vorgänge mit 15 Tieren hinzu. Über Tierschutzorganisationen wurden im Jahr 2020 auf legalem Weg 17 Hunde und zwei Katzen an neue Halter im Kreisgebiet vermittelt. Im Jahr 2021 waren es bislang bereits elf Hunde und drei Katzen.