Hier werden alte Kleider sortiert. Auch für Betrüger scheint das ein lohnendes Geschäft zu sein. Foto: Jürgen Bock

Vor etwa einem Jahr sind in Stuttgart rote Mülltonnen mit Logo der Stadt und Landeswappen aufgetaucht. Ein Betrüger wollte damit eine offizielle Altkleidersammlung vortäuschen. Inzwischen ist aus der Geschichte die reinste Räuberpistole geworden.

Stuttgart - Plötzlich stehen sie vor dem Haus – im Stuttgarter Westen, in Degerloch, in Hoffeld und anderen Teilen der Stadt. Knallrote Mülltonnen, in Form und Größe identisch mit den üblichen Hausmülltonnen. Auf einem Aufkleber sind das Landeswappen und das Logo des städtischen Eigenbetriebs Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) zu sehen – verbunden mit dem Hinweis, es handle sich um eine Altkleidersammlung. Eine offizielle neue Mülltonne für Altkleider? Davon hat noch keiner der betroffenen Anwohner etwas gehört. Und nach Rücksprache mit der Stadt zeigt sich auch schnell: Es gibt sie nicht. Die Tonnen sind von einem Betrüger aufgestellt worden, der den Anschein einer städtischen Sammlung erwecken will.

Das Altkleidergeschäft ist ein Milliardenmarkt

Die Serie beginnt vor gut einem Jahr und dauert mehrere Monate. „Nachdem sich zahlreiche Betroffene bei der Polizei gemeldet hatten, wurde Anfang des Jahres wegen Betruges ermittelt“, sagt eine AWS-Sprecherin. Gemeinsam mit der Polizei habe man nach und nach 41 solcher roter Tonnen eingesammelt, zwischengelagert und inzwischen vernichtet. Zuletzt seien keine weiteren Meldungen über neue Tonnen mehr eingegangen.

Das Altkleidergeschäft ist ein Milliardenmarkt. Dementsprechend arbeiten schwarze Schafe in der Branche mit allen Tricks und viel Raffinesse. Allein zwischen 2009 und 2017 hat die Stadt Stuttgart 650 illegal aufgestellte Sammelcontainer entsorgen müssen. Wird es eng, lassen die Betrüger ihre Behälter einfach stehen und leeren sie nicht mehr. Deshalb gibt es auch im Fall der roten Tonnen zunächst wenig Hoffnung, einen Täter zu finden. Bis bei den Ermittlungsbehörden eine Anzeige eingeht. Darin wird ein konkreter Tatverdacht geäußert.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Und stößt auf überraschende rechtliche Hürden. Denn es gibt weder eine Möglichkeit, wegen Betruges vorzugehen noch wegen Urkundenfälschung. „Bei einem Betrug müssen eine Täuschung und ein Irrtum des Opfers zusammenkommen“, sagt Staatsanwalt Heiner Römhild. Aufgrund dieser Vorgänge muss es eine sogenannte schädigende Vermögensverfügung veranlassen. Sprich: einen Verlust erleiden. Da Altkleider aber womöglich ohnehin gespendet worden wären, wird es da eng. Und um wegen der Verwendung des Landeswappens wegen Urkundenfälschung zu ermitteln, müsste es sich um eine Urkunde handeln. Ein Aufkleber genügt dafür nicht. Das wäre höchstens eine Ordnungswidrigkeit. Also werden die Ermittlungen eingestellt. Die Beschuldigten werden noch nicht einmal über die Untersuchung informiert.

Legale rote Altkleidertonnen

Dafür meldet sich bei der Polizei eine Firma. Die stellt im Landkreis Ludwigsburg und vereinzelt auch in Stuttgart legal rote Altkleidertonnen auf Privatgrundstücken auf. Natürlich ohne Vortäuschung einer offiziellen Sammlung und mit Genehmigung des Eigentümers. „Wir vermuten, dass die für den Betrug verwendeten Tonnen unsere sind“, sagt der Chef des Unternehmens. Es seien bis zu 170 Stück von einem Lagerplatz in Stuttgart gestohlen worden. 41 davon hat die Stadt einkassiert – den Rest vermutet er bereits „irgendwo in Osteuropa, denn die Tonnen sind nicht billig“. Zu allem Überfluss habe die Betrugsgeschichte dafür gesorgt, dass die Firma ihre legalen roten Tonnen kaum noch irgendwo aufstellen dürfe, weil die Leute verunsichert seien.

Ganz schön viel Wirbel um ein paar Altkleider. Doch weil mit weiteren Betrugsmaschen zu rechnen ist, hat die Stadt inzwischen das offizielle Sammelsystem umgestellt: Auf öffentlichen Flächen dürfen nur sechs Organisationen sammeln. Verwendet werden dafür einheitliche Behälter, die meist an Standorten von Glascontainern stehen und auch in der Optik ganz ähnlich gehalten sind. Natürlich mit offiziellem AWS-Logo und Wappen der Stadt. In diesem Fall sogar in echt.