Betrüger stellen derzeit in Stuttgart rote Altkleidertonnen auf, die offiziellen Mülltonnen der Stadt täuschend ähnlich sehen und sogar das Landeswappen verwenden. Foto: Stadt Stuttgart

Die Stadt Stuttgart hat in den vergangenen Jahren 650 ungenehmigt aufgestellte Altkleidercontainer beseitigt. Die illegalen Sammler sind unter Druck – greifen jetzt aber zu einer bundesweit neuen Methode.

Stuttgart - Auf einmal sind sie da. Die Bewohner des Hauses im Stuttgarter Westen wundern sich. Von einer neuen roten Mülltonne haben sie noch überhaupt nichts gehört. Doch jetzt stehen gleich mehrere davon vor dem Gebäude. Mit dem Schriftzug der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) und dem Wappen des Landes Baden-Württemberg. Hochoffiziell sieht das aus. Altkleider solle man hier entsorgen, heißt es da. Die Tonnen würden künftig einmal monatlich geleert.

Die Hausbewohner wenden sich an die Stadt. Und bekommen die Auskunft: Eine rote Tonne gibt es in Stuttgart nicht. Es handelt sich offenkundig um eine neue Masche von illegalen Altkleidersammlern. „Die ersten Meldungen haben wir im vergangenen September bekommen. Inzwischen liegen uns zehn Fälle aus dem Westen, aber auch aus dem Bereich Degerloch und Hoffeld vor“, sagt ein Rathaus-Sprecher. Es handle sich um keine genehmigte Sammlung. Wegen der missbräuchlichen Nutzung des Landeswappens sei inzwischen auch das Innenministerium eingeschaltet.

Das Dumme daran: Man weiß bisher nicht, wer hinter der Sammlung steckt. „Es war noch nicht möglich, den Aufsteller ausfindig zu machen“, heißt es im Rathaus. Man ermuntere jeden, der Hinweise darauf habe, sich beim Ordnungsamt zu melden oder Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Hausbesitzern empfiehlt man, die roten Tonnen vom Grundstück zu entfernen und zu beobachten, von wem sie abgeholt werden. Besonders Fahrzeugkennzeichen sind interessant.

Altkleider sind ein Milliardengeschäft

Die Methode ist neu. „Das ist uns bundesweit noch nie untergekommen und eine unfassbar dreiste Aktion“, sagt Thomas Ahlmann vom Dachverband Fairwertung. Dort haben sich gemeinnützige Organisationen zusammengeschlossen, die Altkleider sammeln. Sie kennen die Tricks der schwarzen Schafe gut – und davon gibt es viele. Denn das Geschäft lohnt sich. Mit Altkleidern werden jedes Jahr allein in Deutschland Milliarden umgesetzt. Firmen, die ohne Genehmigung arbeiten, keine Mindestlöhne, Stellgebühren und Steuern zahlen, sparen viel Geld. Die Ware wird meist nach Osteuropa verkauft. Karitative Organisationen und legale gewerbliche Sammler haben das Nachsehen.

In Stuttgart sind die illegalen Betriebe in den vergangenen Jahren vermehrt durch ungenehmigte Sammelcontainer aufgefallen. Die Zahlen sind zwischenzeitlich dramatisch angestiegen. Hat die Stadt noch 2010 lediglich 21 illegale Container entfernt und auf Kosten der Steuerzahler verschrottet, hat sich die Zahl bis 2013 auf 164 erhöht. Seither gehen die Werte wieder zurück – 2017 sind es noch 39 gewesen. Insgesamt hat die Stadt in den vergangenen neun Jahren 650 illegale Container entsorgen müssen. Die Aufsteller werden nur selten gefunden.

Manchmal aber doch – und darin liegt wohl auch der Grund, warum sich die Lage in der Landeshauptstadt zuletzt gebessert hat. Denn die Verwaltung geht rigoros gegen die schwarzen Schafe vor. Und hat dabei auch Glück gehabt. 2013 ging den Behörden auf kuriose Weise ein dicker Fisch ins Netz. Eine Polizeistreife erwischte einen Mann, der einen ungenehmigten Sammelcontainer leerte. Er griff zum Handy und rief seinen Chef an. Auf Türkisch erklärte er ihm, dass er in Schwierigkeiten stecke. Die Liste mit 315 illegalen Standorten in der ganzen Region habe er noch schnell im Auto versteckt. Doch die daneben stehende türkischstämmige Polizistin hatte jedes Wort verstanden. Neben einem fast fünfstelligen Bußgeld erwartete den Wiederholungstäter eine Untersagung, das Gewerbe weiter zu betreiben.

Rigorose Gegenwehr spricht sich herum

So etwas spricht sich rum in einer Branche, die mit allen Tricks arbeitet. „Das Geschäft ist für Kriminelle weiterhin lukrativ, aber es zeigt sich, dass sie sich in Kommunen zurückhalten, die konsequent einschreiten und einen langen Atem haben. Das ist dann verbrannte Erde“, sagt Ahlmann. Dazu kommt, dass das mutmaßlich größte überregional agierende illegale Unternehmen vor einiger Zeit ein bundesweites Sammelverbot bekommen hat.

Zugleich hat die Stadt in den vergangenen Wochen ihr Altkleiderkonzept geändert. Bisher durften vier Organisationen ihre Sammelcontainer aufstellen. Jetzt sind es sechs, die aber alle einheitliche Container der Stadt verwenden müssen. Die Standorte liegen häufig neben Altglascontainern, die Optik ähnelt diesen auch. Die Zahl ist auf rund 200 deutlich erhöht worden. Die Container tragen das Stadtlogo. Alles andere ist auf öffentlichen Flächen nicht mehr erlaubt.

Fliegt der Aufsteller der ominösen roten Tonnen doch noch auf, droht ihm ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. Doch ob es so weit kommt, steht derzeit in den Sternen.