Sozialministerin Karin Altpeter (SPD) will prüfen, ob Lücken im Vertriebsnetz bestehen Foto: dpa

Illegal importierte Krebsmedikamente werfen die Frage auf, wie die Vertriebswege sicherer gemacht werden können. Das europaweite Projekt „Secur Pharm“ will genau das leisten.Importeure von Medikamenten sehen sich derweil nicht als Sicherheitsrisiko.

Illegal importierte Krebsmedikamente werfen die Frage auf, wie die Vertriebswege sicherer gemacht werden können. Das europaweite Projekt „Secur Pharm“ will genau das leisten.Importeure von Medikamenten sehen sich derweil nicht als Sicherheitsrisiko.

Stuttgart - Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat die Zusammenarbeit mit den vier Regierungspräsidien im Land intensiviert, um auf mögliche Medikamentenfälschungen so schnell wie möglich reagieren zu können. „Wir müssen uns die Frage stellen, wie das System genau funktioniert und prüfen, ob Lücken bestehen“, sagte die zuständige Sozialministerin Karin Altpeter unserer Zeitung. Bislang sei noch nicht geklärt, auf welchen verschiedenen Kanälen und von wem die gefälschten Arzneimittel in Umlauf gebracht wurden, sagte Altpeter.

Am Mittwoch hatte das Bundeskriminalamt bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen illegal importierter Arzneimittel aufnehmen werde. Verschiedene hochpreisige Krebsmedikamente sollen laut den Behörden aus italienischen Krankenhäusern gestohlen worden sein. Die Präparate sind Medienberichten zufolge von einem registrierten italienischen Großhändler mit neuen Papieren versehen und illegal in Deutschland verkauft worden.

Nach wie vor ist unklar, wie viele geklaute Medikamente auf den deutschen Markt gelangen konnten. Die Behörden verweisen auf die laufenden Ermittlungen.

Zahl der gefälschten Medikamente steigt rapide

Ermittler und Gesundheitsexperten warnen davor, dass der illegale Medikamentenhandel in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Das Zollkriminalamt hat deutschlandweit im vergangenen mehr als zwei Millionen gefälschte Tabletten, Pulver und Ampullen sichergestellt – und damit rund 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Im jüngsten Fall handelt es sich um mehrere Krebs- und Rheumamedikamente: Neben dem Krebswirkstoff Herceptin ebenfalls um die Wirkstoffe Remicade und Alimta sowie um das Hormonpräparat Humatrope und die Krebsmittel Avastin und Mab Thera. Teilweise sei der teure Inhaltsstoff gegen handelsübliches Antibiotika ausgetauscht oder stark verdünnt worden, teilte das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) mit.

Die Behörden gehen davon aus, dass die Medikamente über sogenannte Reimporte oder Parallelimporte in den Handel kamen. Diese verkaufen in erster Linie Apotheken. „Alle Großhändler sind dazu verpflichtet, Chargennummern anzugeben, wenn sie die Medikamente weiterverkaufen“, sagt Holger Hennig, Apothekendirektor am Katharinenhospital in Stuttgart. Krankenhäuser, betont Hennig, bezögen nur in Ausnahmefällen die günstigeren Re- oder Parallelimporte. „In mehr als 99 Prozent der Fälle kaufen wir die Medikamente direkt beim Hersteller.“ Nur wenn es zu Lieferengpässen kommt, griffen Kliniken auf aus dem Ausland importierte Wirkstoffe zurück.

Ab 2017 neues Sicherheitssystem für Medikamente

Bei diesen Reimporten handelt es sich um Medikamente, die ein Pharmaunternehmen zwar auf dem deutschen Mark herstellt, die allerdings für einen ausländischen Markt gedacht sind. Der sogenannte Reimporteur, eine in Deutschland ansässige Firma, kauft die Präparate im Ausland auf und führt sie wieder in Deutschland ein. Die Haftung übernimmt im Regelfall der Reimporteur.

Der größte deutsche Reimporteur ist das Unternehmen Kohlpharma, das diverse Import-Arzneimittel anbietet. Dort will man sich den Vorwurf, das Risiko von illegal eingeführten Medikamenten zu erhöhen, nicht gefallen lassen. „Wir stehen genau so unter der Kontrolle der Aufsichtsbehörden wie andere Unternehmen auch“, sagt der Sprecher Karsten Wurzer. Die Firma kaufe ausschließlich bei lizenzierten Pharma-Großhändlern in europäischen Ausland, sagt Wurzer. „Wir sind somit Teil der legalen Lieferkette.“ Die Importeure nun für Machenschaften der Arzneimittel-Mafia verantwortlich zu machen, hält Wurzer für absurd. Kohlpharma wie auch andere große Unternehmen beteiligen sich an einem EU-weiten Projekt mit dem Titel „Secur Pharm“.

Ab dem Jahr 2017 soll dieses Sicherheitssystem den illegalen Medikamentenhandel weitgehend verhindern. „Wir führen für alle Verpackungen maschinenlesbare Chargennummern und Verfallsdaten ein“, erklärt Thomas Brückner von „Secur Pharm“. Hier sieht man den aktuellen Fall aus Italien als ein Zeichen für die Dringlichkeit des Vorhabens. „Jede Packung bekommt zudem einen 20-stelligen Serialnummer“, sagt Brückner. Jeder Apotheker könne anhand dieser den genauen Vertriebsweg der Medikamente nachvollziehen.

Eine solches System dürfte laut Experten auch künftige Ermittlungen vereinfachen. Denn viel Arbeit kostet es die Ermittler bislang, die genauen Vertriebswege nachzuvollziehen. Das sagt auch Andrea Kopp vom Polizeipräsidium Reutlingen. Auch dort gab es vor kurzem einen Fall von illegalem Medikamentenhandel. Nach aktuellem Stand der Ermittlungen hatten Fälscher seit etwa zwei Jahren den Wirkstoff des Magenmittels Omeprazol im Ausland gekauft und in gefälschten Packungen über Großhändler in ganz Deutschland vertrieben. „Die Ermittlungsverfahren in diesem Bereich ziehen dann zwangsläufig bundesweite oder zusätzlich auch internationale Durchsuchungen nach sich.“ Bei den Krebsmedikamenten befürchten die Behörden organisierte Kriminalität.