Schon vor vier Jahren hat die Naturschutzbehörde Kleinbauten im Grünen im Stadtbezirk Wangen ins Visier genommen. Auf ähnliche Problemgebiete will man sich künftig konzentrieren. Foto: Max Kovalenko

Der flächendeckende Kampf gegen illegale Kleinbauten in Stuttgarts Landschaftsschutzgebieten wäre sehr aufwendig. Das hat ein Pilotversuch bewiesen. Jetzt will sich die Naturschutzbehörde auf Schwerpunkte konzentrieren.

Stuttgart - Illegale Kleinbauten in Landschaftsschutzgebieten gibt es in Stuttgart nicht wenige – doch eine Offensive auf breiter Front wird es dagegen nicht geben. Dafür fehlt vor allem beim Baurechtsamt das Personal, das dringend mit von der Partie sein müsste, um größere illegale Bauten wieder zu beseitigen. Die Untere Naturschutzbehörde im städtischen Amt für Umweltschutz wird daher nun versuchen, mit einer Strategie der konsequenten Nadelstiche bei den Bausündern mehr Einsicht zu bewirken. Die zuständige Naturschutzabteilung ist in erster Linie für kleinere Bauten und Stützmauern oder für illegale Grabungen und Pflanzungen zuständig.

Wollte man flächendeckend und systematisch gegen alle möglichen Bausünden vorgehen, wären „zehn bis 15 Personenjahre“ Arbeitsaufwand notwendig. Sprich: Eine Person wäre zehn bis 15 Jahre mit dem Feldzug gegen Sünden in Landschaftsschutzgebieten beschäftigt, ein Viererteam müsste sich zweieinhalb bis fast vier Jahre damit befassen. Die Kosten würden sich auf zweieinhalb bis drei Millionen Euro summieren. Diese Erkenntnisse hat man in Pilotverfahren in Teilbereichen von Landschaftsschutzgebieten gewonnen – am Burgholzhof, am benachbarten Wolfersberg in Bad Cannstatt sowie in Rotenberg.

Bis zu 600 Jahre Personenarbeit wären notwendig

Das Stadtmessungsamt exerzierte Anfang 2015 die nötigen Erhebungen, die Datensichtungen und die Lektüre von Akten beim Baurechtsamt durch. Nach der Erhebung müssten die ermittelten und dokumentierten Bausünden aber auch noch aus der Welt geschafft werden. Oder wie das im Rathaus genannt wurde: „in verwaltungsrechtliches Handeln umgesetzt werden“. Geht so etwas nicht schnell genug, sind die Daten möglicherweise schon wieder veraltet, bis der Vollzug ansteht.

Wie aufwendig die komplette Aufgabe ist, hat eine Mitarbeiterin der Naturschutzbehörde von Anfang 2013 bis Ende 2015 aufgezeigt. Sie kümmerte sich damals sehr detailliert um das Landschaftsschutzgebiet Burghalde-Allmendhäule in Rohracker. In den drei Jahren konnte sie 150 der rund 1200 Grundstücke in dem etwa 54 Hektar großen Gebiet bearbeiten. Das sind gerade mal zwölf Prozent.

Übertragen auf alle Schutzgebiete, in denen illegale Kleinbauten und unerlaubte Veränderungen des Geländes eine Rolle spielen dürften, würde sich ein unglaublicher Aufwand ergeben: Dann wären für eine komplette Erhebung der Situation auf rund 30 000 Grundstücken und für verwaltungsrechtliche Konsequenzen „rechnerisch fast 600 Personenjahre erforderlich“, teilte die Verwaltung den Stadträten mit. Anders ausgedrückt: 200 Mitarbeiter müssten drei Jahre arbeiten, um in diesem Punkt klare Verhältnisse zu schaffen.

Ganz wegschauen wollen die Naturschützer nicht

Die Naturschutzbehörde steckt also im Dilemma. Vor den „erheblichen Fehlentwicklungen“ in manchen Gebieten will sie die Augen nicht verschließen; ein systematisches Vorgehen gegen unzulässige Kleinbauten in Schutzgebieten hält die Behörde für unerlässlich. Flächendeckend sei das aber nicht zu schaffen. Daher will man sich auf schon bekannte Problembereiche konzentrieren und sich abschnittsweise immer zwei bis 15 Grundstücke vornehmen. Nach dem Nachweis von Bausünden soll umgehend die Beseitigung durchgesetzt werden.

„Mit Beharrlichkeit können wir durchaus Erfolge erzielen“, sagt Renate Kübler von der Unteren Naturschutzbehörde. Die will vor allem im eigenen Kompetenzenbereich agieren, aber auch für das Baurechtsamt mitdenken. „Wir können auch ohne Baurechtsamt den Bau einstellen“, sagt Kübler, „damit hat der Verursacher schon einmal die rote Karte.“ Wenn das Baurechtsamt zuständig ist, werde es immer informiert, auch wenn dort das Personal knapp ist.

Mehr Personalaufwand scheint unumgänglich

Konsequente Schwerpunktaktionen könnten auch „ein deutliches Signal an Grundstücks-Bewirtschafter auf anderen Flächen setzen“, heißt es in dem Bericht der Verwaltung, der von Städtebau- und Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne) unterschrieben ist. Zugleich entspreche man damit noch den Anforderungen von Verwaltungsgerichten. Demnach wäre es nämlich nicht rechtmäßig, wenn sich die Behörde nur Einzelfälle herauspickt. Sie müsse schon systematisch gegen Schwarzbauten vorgehen. Wenn nötig, könne man neben den Schwerpunktaktionen auch noch anlassbezogen in Einzelfällen tätig werden, meint die Verwaltung. Bessere personelle Ausstattung sei aber auch mit dem jetzt definierten, bescheideneren Kurs unerlässlich. In der Vergangenheit knauserte der Gemeinderat allerdings bei der personellen Unterstützung. Die Mitarbeiter des Baurechtsamtes, die sich um Kleinbauten kümmerten, wurden vor fast einem Jahrzehnt weggespart.

Die Gemeinderatsfraktionen haben zumindest im Grundsatz, wenn auch nicht unbedingt beim Thema Stellenschaffungen, ihre Unterstützung signalisiert. Marita Gröger (SPD) empfahl der Behörde, auch einmal genauer den Bereich zwischen Bad Cannstatt und Untertürkheim unter die Lupe zu nehmen. Konrad Zaiß (Freie Wähler) meinte, die Behörde tue tatsächlich gut daran, sich auf sensible Bereiche zu konzentrieren. „Vielerorts“ sei es nicht schlimm, wenn „noch mal ein Hüttchen an eine Hütte angebaut“ wurde. Beate Bulle-Schmid (CDU) riet der Verwaltung, ihre Zielgebiete selbst auszuwählen und nicht dem Denunziantentum Vorschub zu leisten.