Offizielle Grenzkontrollen gibt es nur an der Grenze zu Österreich und bei Flügen aus Griechenland. Doch auch auf anderen Routen stößt die Bundespolizei auf viele Flüchtlinge. Foto: dpa

Die große Flüchtlingskrise schien nach Schließung der Balkanroute Geschichte. Doch nach wie vor versuchen viele Menschen, nach Deutschland zu kommen. Die Wege ändern sich stetig.

Stuttgart - Die Reise muss bitterkalt gewesen sein. Irgendwie hat es der junge Mann aus Nigeria im vergangenen Dezember unbemerkt auf einen Güterzug geschafft. Der war beladen mit Lastwagen, die von Italien nach Deutschland gebracht werden sollten. Unter einem der Lkw harrte der Afrikaner stundenlang aus – bis nach Baden-Württemberg, wo er halb erfroren entdeckt wurde.

Ein außergewöhnlicher Fall, aber kein einzigartiger. „Um nach Deutschland zu kommen, nehmen Migranten beachtliche Risiken auf sich“, sagt Jonas Große von der Bundespolizeidirektion Stuttgart. Zu Todesfällen durch Erfrierungen oder Unfälle sei es im Südwesten zum Glück bisher nicht gekommen. Meist werden die Flüchtlinge auch nicht auf Güterzügen gefunden. „Die Leute kommen zu Fuß, mit dem Auto, in Fernbussen und Zügen“, weiß Große. Und nicht selten haben skrupellose Schleuser ihre Hände im Spiel.

Seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 kommen deutlich weniger Asylsuchende nach Deutschland. In erster Linie liegt das daran, dass durch die Schließung mehrerer Grenzen Anfang 2016 die sogenannte Balkanroute schwer passierbar geworden ist. Dadurch ertappt auch die Bundespolizei, die für die Kontrolle der Grenzen, Bahnhöfe und Flughäfen verantwortlich ist, deutlich weniger unerlaubt eingereiste Personen. 2015 sind das noch 217 000 gewesen, ein Jahr später 112 000, im vergangenen Jahr waren es noch 50 154.

Hochbetrieb an den Flughäfen

Diese Zahl ist allerdings immer noch hoch, vergleicht man sie mit den Werten vor der großen Krise. Und sie zeigt, dass das Problem nicht verschwunden ist. Vielmehr verlagert es sich. Denn anders als 2015, als noch 81 Prozent der Aufgriffe an der Grenze zu Österreich erfolgt sind, liegt der Anteil dort jetzt nur noch bei einem Drittel. 22 Prozent der Flüchtlinge werden inzwischen an Flughäfen erwischt. „Sie versuchen, mit dem Flugzeug aus Griechenland oder der Türkei Deutschland direkt zu erreichen“, sagt Große.

Doch auch andere Routen rücken ins Blickfeld – und damit Baden-Württemberg. Jeder neunte Aufgegriffene ist im vergangenen Jahr über die Schweiz gekommen. Außerdem versuchen viele über das Elsass ihr Glück. Dementsprechend sinken im Land die Zahlen auch bei Weitem nicht so stark wie bundesweit. In Baden-Württemberg hat die Bundespolizei 2015 gut 14 000 illegal Eingereiste ertappt, im vergangenen Jahr waren es immer noch 8342. „Die Leute kommen über das Mittelmeer nach Italien und dann weiter über die Schweiz. Eine weitere Route ist die westliche Mittelmeerroute über Marokko, Spanien und Frankreich“, sagt Große. Unter den Flüchtlingen fänden sich Familien, allein reisende Minderjährige oder auch Gruppen, die sich auf der Flucht zusammengefunden hätten.

Die Türkei liegt auf Platz fünf der Herkunftsländer

In Baden-Württemberg, das folgt ein Stück weit aus den Fluchtrouten, kommen die meisten Aufgegriffenen aus Afrika. 2017 lag dabei überraschenderweise der kleine Staat Guinea vorn. Dahinter folgten Nigeria, Eritrea, Somalia und Gambia. Bundesweit sah die Reihenfolge anders aus. Dort lagen Afghanen vor Syrern, Nigerianern und Irakern. Auch die Lage in der Türkei findet inzwischen deutlichen Niederschlag: Sie steht bereits auf Platz fünf der häufigsten Herkunftsländer von illegal eingereisten Flüchtlingen.

Ein Ende ist derzeit nicht abzusehen. Die Entwicklung in den vergangenen Monaten deutet auf keinen Rückgang hin. Es werden also noch weitere frostige Fahrten folgen.