Bringen Leben in Form eines Quitten-Baumes in den Weinberg: Herbert Müller (2. v.l.), Marjoke Breuning, (roter Mantel), Winzer Rainer Schnaitmann (rechts daneben), Claus-Peter Hutter (4. v.r.), IHK-Hauptgeschäftsführer Johannes Schmalzl (3. v. r.), IHK-Vizepräsident Heinrich Baumann (2. v.r.) und IHK-Präsidiumsmitglied Stefan Russ Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Welche Stadt hat so etwas zu bieten? In Stuttgart reichen die Weinberge bis direkt vor den Hauptbahnhof! Nun wachsen dort nicht mehr nur Trauben, der IHK-Weinberg wird seit kurzem vom Spitzenwinzer Rainer Schnaitmann ökologisch bearbeitet.

Stuttgart - Welche Stadt hat so etwas zu bieten? In Stuttgart reichen die Weinberge bis direkt vor den Hauptbahnhof! Nun wachsen dort nicht mehr nur Trauben, der IHK-Weinberg wird seit Kurzem vom Spitzenwinzer Rainer Schnaitmann ökologisch bearbeitet. Im Rahmen der Aktion „Lebendiger Weinberg“ der Umweltakademie Baden-Württemberg pflanzten die IHK-Chefs nun eine Weinberg-Quitte und andere Pflanzen, die für den Naturschutz wichtig sind.

Locker zieht Claus-Peter Hutter ein Bild nach dem anderen hervor und zeigt auf Schmetterlinge oder Eidechsen. „Zur Abwechslung habe ich mal eine Zauneidechse mitgebracht“, sagt der Chef der Umweltakademie, der mit seiner Pflanzaktion schon so manchen Weinberg ökologisch aufgewertet hat. Über 200 000 Pflanzen sind so in den vergangenen Jahren eingegraben worden Denn zwischen den Reben muss es nicht nur grün sein, die richtigen Gewächse braucht es. Weinraute oder Weinberglilie etwa, weil diese wiederum Insekten anlocken, die zuvor nicht im Weinberg gelebt haben.

Cabernet Franc hat den Trollinger verdrängt

Die Pflanzen für den lebendigen Weinberg sind das eine, die Bearbeitung der Reben das andere. „Diese Terrassen hier ökologisch zu bewirtschaften, das ist schon ein großes Abenteuer“, sagt Rainer Schnaitmann, der ebendieses angeht. Seit diesem Jahr ist er für die ökologische Bewirtschaftung des Weinbergs verantwortlich, in den nächsten Jahren natürlich auch für den Ausbau der Tropfen. Auf dem knapp einen Hektar großen Stückle stehen Riesling und Cabernet Franc.

Letztere Sorte hat den Trollinger verdrängt, was dem IHK-Ehrenpräsidenten Herbert Müller zu verdanken ist. Dieser setzte sich schon immer für den Weinberg mit seinem stadtbildprägenden Weinberghäusle ein und stellte sich energisch gegen jede Bestrebung, das Stück hinter der Zentrale der IHK zu veräußern. „Natürlich geht es in erster Linie um die Erhaltung der Kulturlandschaft in Einklang mit der Natur“, sagt Herbert Müller, aber wirtschaftlich müsse die Sache eben auch sein. Und deshalb Cabernet Franc statt Trollinger, weil man für diesen Wein einfach das Vielfache verlangen könne. „Hier dürfte eigentlich keine Flasche unter 30 Euro verkauft werden“, sagt Winzer Schnaitmann, der von den Mühen weiß, die mit einem solchen Projekt verbunden sind.

Morgens um 5 Uhr hat er sich mit seiner Mannschaft immer von Fellbach aus in die Stadt aufgemacht, damit er wenigstens vom Stau verschont blieb. Die Wildnis hinter dem Bahnhof zu zügeln, das sei auch ohne Stau schon ein zeitaufwendiger Spaß.

Natürlich ist das Projekt auch spannend, die Mauern seien ja sehr eindrucksvoll. Was auch Claus-Peter Hutter findet, der im Zusammenhang mit den Weinbergen am Neckar immer wieder darauf verweist, was für eine Leistung unserer Vorfahren das war. Von Plochingen bis Heilbronn, habe er mal ausgerechnet, seien das insgesamt rund 2000 Kilometer Mauern, und dabei wurden mehr Steine verbaut als bei den großen Pyramiden. „Ich nenne das immer unser schwäbisches Machu Picchu“, sagt Hutter, und auf dieses Erbe müsse man unbedingt achten. „Wir sind bei den Mauern-Weinbergen an einem Scheideweg“, sagt Hutter, „entweder wir unterstützen die Arbeit entsprechend, oder alles verbuscht.“

IHK-Hauptgeschäftsführer Johannes Schmalzl verspricht für den kleinen Teil am Bahnhof zumindest weiteren Einsatz: „Ich sehe das als Verpflichtung.“ Wenngleich aus dem Ertrag kein Profit zu schlagen ist. Denn die IHK verlangt keine 30 Euro für die Flasche, sie verschenkt den Wein an verdiente Menschen – die nun mit einem noch besseren Gewissen trinken können.