Vor fünf Jahre war die Lesefähigkeit der deutschen Grundschüler noch etwas besser. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Alle fünf Jahre untersucht die IGLU-Studie, wie gut deutsche Viertklässler lesen können. Die aktuelle Auswertung kommt zu alarmierenden Ergebnissen.

Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen. Das geht aus der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) 2021 hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach gelten 25 Prozent der Schüler auf diesem Feld als leistungsschwach. Sie verfügen nicht über die nötige Lesefähigkeit für den Übergang in eine weiterführenden Schule. Bei der letzten Erhebung 2016 hatte ihr Anteil noch bei 19 Prozent gelegen. Seit 2001 wird der Test alle fünf Jahre durchgeführt.

In der aktuellen Studie liegt die mittlere Lesekompetenz der deutschen Schüler nur wenig hinter den Werten der EU und der OECD. Allerdings fällt auf, dass sich der Wert der Lesekompetenz in den letzten 20 Jahren in Deutschland verschlechtert hat. Die Lesefähigkeit ging in deutschen Schulen seit 2011 immer weiter zurück. Seit 2016 sinkt sie besonders stark. Die Corona-Pandemie habe „erhebliche Auswirkungen“ auf die Leseleistung gehabt, betonen die Verfasser der Studie. Deutlich zurückgegangen ist auch der Anteil der leistungsstärksten Lesegruppe unter den Viertklässlern. 2016 lag er bei gut 11 Prozent, nun sind es gut 8 Prozent.

Alarmierende Erkenntnis

Maßnahmen zeigen keine Wirkung

Die Verfasser der Studie schreiben, „dass die verschiedenen ergriffenen Maßnahmen in den letzten zwei Jahrzehnten bisher keine ausreichende Wirkung im Hinblick darauf gezeigt haben, den Bildungserfolg sowie die Bildungsungleichheit in Deutschland zu verbessern.“ Das verursache hohe Kosten für die Betroffenen und die Gesellschaft. Das dürfe nicht so bleiben, sagt Nele McElvany vom Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund, die für die Studie verantwortlich ist.

Auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bezeichnete die Ergebnisse in einer Mitteilung als „alarmierend“. Dem schloss sich ihre Staatssekretärin Sabine Döring an, die die Vorstellung der Studie begleitete. Döring zufolge reihen sich die Ergebnisse in eine Entwicklung ein, die seit dem sogenannten „PISA-Schock“ 2001 zu beobachten ist.

Schulen 183 Tage lang geschlossen

Damals war mit der PISA-Studie erstmals eine Untersuchung der OECD veröffentlicht worden, in der deutsche Schüler im Vergleich mit anderen Ländern auffallend schwach abschnitten. Damit hatte man nicht gerechnet. In der jüngsten Zeit habe die Bildung besonders gelitten, sagte Döring: „Zweifellos hat die Pandemie den negativen Trend in den letzten Jahren weiter verstärkt. 183 Tage lang waren die Schulen in Deutschland ganz oder teilweise geschlossen.“

Die Schere geht auseinander

Und noch etwas lässt sich aus der Studie ableiten: Bildungserfolg ist in Deutschland stark an die finanzielle Lage von Familien gekoppelt. Wie gut Kinder lesen können, hängt stark vom familiären Hintergrund ab, und dabei geht die Schere weit auseinander. Katharina Günther-Wünsch, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Berliner Bildungssenatorin, sagte, sie sehe eine große Herausforderung darin, mit den verschiedenen Fähigkeiten der Schüler umzugehen. Sie schlug vor, aus diesem Grund besondere Fortbildungen für Lehrkräfte anzubieten.

Singapur ganz vorn, Südafrika hinten

An der aktuellen IGLU-Studie nahmen 400 000 Schüler aus 65 Staaten und Regionen teil. Aus Deutschland beteiligten sich 4600 Kinder. Sie mussten sowohl informierende als auch unterhaltende Texte lesen und sollten danach Verständnisaufgaben mit Multiple-Choice-Tests am Computer beantworten. Am besten schnitten die Schüler aus Singapur ab, auf dem letzten Platz landete Südafrika. Deutschland liegt beim internationalen Lese-Vergleich im Mittelfeld.