Übersicht über die ehemalige IBM-Zentrale in Stuttgart: Für die einen ist es ein Baudenkmal, für die anderen ein Abrissobjekt. Foto: dpa

Für die einen ist es ein Baudenkmal, für die anderen ein Abrissobjekt. Seit inzwischen gut vier Jahren steht die frühere IBM-Zentrale des Stararchitekten Egon Eiermann in Stuttgart-Vaihingen leer. Den Insolvenzverwaltern geht nun das Geld aus.    

Stuttgart - Löwenzahn hat die Plattenwege erobert, auf den einst gut gepflegten Rasenflächen wächst Vergissmeinnicht, die Fenster sind von Birkenzweigen verhangen. Die ehemalige IBM-Zentrale in Stuttgart-Vaihingen hat sich in eine verträumte Idylle verwandelt. Dabei tobt um den Campus des denkmalgeschützten Gebäudekomplexes ein erbitterter Streit. Die Insolvenzverwalter plädieren für einen Abriss, die Stadt will den Campus nach Entwürfen des bekannten Architekten Egon Eiermann - aus dessen Feder auch die Gedächtniskirche in Berlin stammt - erhalten.

Weder Mieter noch Käufer zu finden

Seit gut vier Jahren steht die Ex-IBM-Zentrale in einem Wald nahe des Autobahnkreuzes Stuttgart leer. 83 Millionen Euro soll der Fonds CB Richard Ellis Medienberichten zufolge 2007 für die Gebäude eingesammelt haben. Offensichtlich ein zu hoher Preis: Die sechs Objektgesellschaften, die eigentlichen Eigentümer, meldeten im Sommer 2011 Insolvenz an, da sich weder Mieter noch Käufer fanden. Mehr als 60 Investoren sei der Komplex schon angeboten worden. „Keiner war bereit, ein Gebot abzugeben“, so ein Sprecher der Insolvenzverwalter.

Das Problem seien die hohen Investitionen, die zur Sanierung des mehr als 40 Jahre alten, denkmalgeschützten Gebäudes notwendig wären, um sie an moderne Energiestandards anzupassen. Ein Grund, warum der IT-Konzern IBM 2009 den Campus nach fast 30 Jahren verließ und in einen Neubau in Ehningen zog, wie ein Firmensprecher erklärt.

Erhalt kostet Millionen

„Der Komplex ist eine Spezialimmobilie, die so errichtet wurde, dass diese optimalerweise nur von einem Mieter am besten genutzt werden kann“, sagt der Sprecher. „Lokale Energie- und Wasserversorgung sind zum Beispiel nicht ohne erheblichen Aufwand separierbar, da die Versorgung von einem Gebäude aus gesteuert wird.“ Das mache die Nutzung so teuer.

In vier Jahren wurde kein neuer Mieter für die 40.000 Quadratmeter gefunden, stattdessen kostete der Erhalt der leeren Gebäude fast vier Millionen Euro. Im Februar zogen die Insolvenzverwalter die Reißleine und stellten einen Abrissantrag. Ihnen geht das Geld aus: Ende Juni sollen die Gebäude „freigegeben“, also sich selbst überlassen werden. Die Stadt wäre dann für die Verkehrssicherheit zuständig.

Im Rathaus arbeitet man an Alternativen. „Den Abrissantrag werden wir vermutlich nicht erteilen“, sagt Baubürgermeister Matthias Hahn der dpa. Er hofft, dass einer der Hauptgläubiger, die Hamburger DG Hyp, noch Geld locker macht. „Wir befinden uns in laufenden Gesprächen, die wir nicht kommentieren“, so ein Banksprecher.

Uni Stuttgart hat kein Interesse

Hahns Wunsch wäre es, einen gemischten Campus für Firmen und Universität zu entwerfen. Dafür könnten zusätzliche Gebäude als Wohnheime auf dem 20 Hektar großen Areal gebaut werden. Doch die Vorbehalte sind groß: Die Uni Stuttgart hat sich den Komplex bereits angeschaut, aber angesichts der enormen Umbaukosten abgewunken, wie ein Sprecher sagt. „Aktuell gibt es keine Gespräche.“

„Uns erreichen von allen möglichen Seiten Interessenten“, sagt Hahn. Wen die Stadt im Auge hat, will er nicht sagen. Aber noch vor der Sommerpause soll es ein Symposium geben. Eine Zwangsversteigerung sieht Hahn als Option, um Schulden loszuwerden. „Das ist der einzige Weg, um die Immobilie wieder in den Verkehr zu bringen.“ Die Stadt selbst gehört wegen Steuerschulden zu den Gläubigern. Medienberichten zufolge sollen sich die offenen Schulden auf mindestens 3,2 Millionen Euro belaufen. „Wie hoch die Forderungen der Gläubiger sind, kann man zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht endgültig sagen“, sagt der Sprecher der Insolvenzverwalter.

Für Peter Schürmann, Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten Baden-Württemberg, steht ein Abriss außer Frage. „Generationen von Architekten sind dorthin geführt worden“, sagt er. „Ich wäre froh, viele moderne Gebäude hätten diese Qualität.“

„Der Eiermann-Campus ist eine bei vielen Stuttgartern unbekannte Schönheit“, sagt Hahn. Vielleicht liegt genau da das Problem. Große Demonstrationen wie bei dem Abriss des Nordflügels am Hauptbahnhof im Zuge von Stuttgart 21, hat es für das im Wald versteckte Areal in der Schwabenmetropole bislang nicht gegeben.