Seit 2017 steht die Villa Schmückle an der Berliner Straße in Esslingen leer. Nun soll das malerische Gebäude mit einem Projekt für „gemeinschaftliches Wohnen 55+“ neu belebt werden.
Die Villa Schmückle zählt zu den prägendsten Gebäuden der Esslinger Innenstadt. An der Einmündung der Martinstraße in die Berliner Straße gelegen, ist das aufwendig gestaltete Gebäude aus dem Jahre 1897 für viele Passanten ein Hingucker. Seit 2017 steht die Villa leer. Nun soll dort wieder Leben einkehren. Eine eigens gegründete Gesellschaft plant ein „Projekt für gemeinschaftliches Wohnen 55+“, für das noch Gesellschafter gesucht werden.
Das denkmalgeschützte Gebäude hat eine bewegte Geschichte: Erst wohnten dort gut situierte Bürgerinnen und Bürger, später waren dort unter anderem die Historische Bürgergarde und die Psychologische Beratungsstelle für Ehe- und Lebensberatung des Evangelischen Kirchenbezirks zuhause. Zuletzt war es still geworden um die Villa Schmückle. Immer wieder hatte die Stadt, der das Anwesen gehört, mit einem Verkauf geliebäugelt und auch schon einen Favoriten im Blick: „Wir wünschen uns das Landesamt für Denkmalpflege als Mieter oder Käufer. Wir pflegen ein gutes Verhältnis. Und wo wäre das Landesamt für Denkmalpflege besser aufgehoben als in einem Denkmal?“, ließ Finanzbürgermeister Ingo Rust 2019 wissen. Zu einer Einigung kam es nicht.
Neue Gesellschaft am Start
So gingen die Jahre ins Land, ehe man im Rathaus einen neuerlichen Anlauf nahm und Investoren einlud, sich mit Konzepten für einen Kauf der exponierten Immobilie zu bewerben. Den Zuschlag erhielt eine eigens gegründete „Villa Schmückle Erlebenswert GmbH & Co KG“, die neue Wohnformen für das Alter entwickeln möchte. „Die Villa soll nun saniert werden, um den Bau mit einer neuen Wohnnutzung wiederzubeleben, das Zusammenleben in der Stadt zu bereichern und gleichzeitig Modernität und historischen Charme der Villa in Einklang zu bringen“, erklären die Initiatoren, der Architekt Stefan Bräuning und der Immobilienunternehmer Michael Köhn.
Das Konzept ist ambitioniert: In der historischen Villa Schmückle sollen sechs barrierefreie Wohnungen sowie Fremdenzimmer für Besucher der Bewohner entstehen. Die historische Wagenhalle soll zur gemeinschaftlichen Nutzung für Fitness, Familienfeiern und andere Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Am historischen Gartenhaus sollen ein Café mit Außenbereich, der durch einen Laubengang zugänglich ist, entstehen. „Hier sollen kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen und Vernissagen stattfinden, um in die Gemeinschaft zu wirken“, erklärt Michael Köhn. Auf dem bislang unbebauten Nachbargrundstück an der Martinstraße ist ein Neubau mit 13 barrierefreien Wohnungen geplant, die auf die Bedürfnisse älterer Menschen zugeschnitten sein sollen. Die Dachterrasse eröffnet einen attraktiven Blick über die Stadt. Eine Tiefgarage, wie sie etwa ein im Wettbewerb unterlegener Mitbewerber vorgeschlagen hatte, ist nicht geplant.
„Gesund, mobil und eigenständig leben“
„Die Entwicklung neuer Wohnformen im Alter ist ein zentrales Thema, das in der Region Esslingen zunehmend an Bedeutung gewinnt“, erklärt Stefan Bräuning. Ziel müsse es sein, dass ältere Menschen gesund, mobil und eigenständig leben können. Mit ihrem Konzept hat die „Villa Schmückle Erlebenswert GmbH & Co KG“ schließlich auch Gemeinderat und Stadtverwaltung in einem Bieter-Wettbewerb überzeugt. Nun sind die Initiatoren dabei, Investoren zu finden, die sich an diesem Projekt beteiligen wollen – dann kann der Kauf der städtischen Immobilie vollends vollzogen werden.
Eine Variante, die Michael Köhn ins Spiel bringt: Wer sich eine Wohnung in der Villa Schmückle sichern möchte, kann dort entweder selbst einziehen oder die gekaufte Wohnung vermieten – zumindest so lange, bis er sie selbst beziehen möchte. Eine Möglichkeit, die die Initiatoren Interessenten vorschlagen: Wer sich privat verkleinern möchte, könnte sein bisheriges Wohneigentum verkaufen und den Erlös in das Projekt investieren. Die Verwaltung der Villa Schmückle übernimmt Michael Köhns Immobilien Manufaktur.
„Ein zentrales Ziel des Projekts ist es, die Fähigkeiten und Ideen der einzelnen Bewohner einzubeziehen, um gemeinsame Lebensfreude zu fördern“, erklärt Architekt Stefan Bräuning. Ziel ist ein Angebot zum gemeinschaftlichen Leben und Wohnen. Die Sozialstation Esslingen und der Hausnotrufanbieter HuPS24 bieten alle Dienstleistungen an, die man im Alter braucht. „Die Menschen wollen heute so lange wie möglich aktiv bleiben“, weiß Johannes Sipple, Geschäftsführer der Sozialstation. „Wir bieten die Sicherheit, dass man jederzeit die Hilfen hinzuholen kann, die man in der aktuellen Lebenssituation braucht.“ Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von Professorin Astrid Elsbernd von der Fakultät Soziale Arbeit, Bildung und Pflege der Hochschule Esslingen.
Initiatoren stellen ihr Projekt vor
Die Initiatoren stellen ihre Pläne für die Villa Schmückle am Dienstag, 3. Juni, ab 18 Uhr im Café Lore (Blumenstraße 72 in Esslingen) vor.
Die Villa Schmückle im Kurzporträt
Entstehung
Das malerische Wohnhaus Berliner Straße 17 war 1897 für die Witwe und Privatiere Rosa Schmückle gebaut worden. Der Architekt Hermann Falch hatte die Bedeutung des Gebäudes durch bauliche Finessen wie einen markanten Turmaufbau an der Schnittstelle zur Martinstraße betont.
Gestaltung
„Wesentlich für die Wirkung des zweigeschossigen Baus ist die asymmetrische, auf malerische Effekte zielende reiche Komposition unter anderem durch Arkadenloggia, Schweifwerkgiebel und Sichtmauerwerk mit Sandsteinrahmungen“, heißt es in der Esslinger Denkmaltopografie. Ein Wappenstein zeigt die Initialen der Bauherrin. Der Adler mit Stadtwappen im Giebel gilt als Zeichen für das Traditionsbewusstsein des Großbürgertums um 1900. Im Inneren des Gebäudes setzen Terrazzoböden, Stuck und Bleiglasfenster Akzente. Anfang der 1920er Jahre kam eine Garage hinzu.