Der Nahverkehr soll aus Sicht der Linken günstiger werden. In Stuttgart soll das Ticket einen Euro am Tag kosten. Foto: dpa/Arne Dedert

Bestimmte Gruppen sollen zudem kostenlos Bus und Bahn fahren dürfen. Das würde rund 100 Millionen Euro kosten. Doch eine hohe rechtliche Hürde steht im Weg.

Die Linke in Stuttgart will mit einem Bürgerbegehren dem 365-Euro-Ticket in der Landeshauptstadt zum Durchbruch verhelfen. Schüler, Studierende, Azubis und Bonuscard-Inhaber sollen im Stadtgebiet sogar kostenlos fahren dürfen. Mit der Sammlung von 20 000 Unterschriften wolle man „politischen Druck im Gemeinderat und Regionalparlament aufbauen“, sagte Linke-Stadtrat Luigi Pantisano am Mittwoch bei einer Pressekonferenz.

Kommt die Nahverkehrsabgabe?

Finanziert werden soll das 365-Euro-Ticket, welches auch als Tages- und Monatskarte für einen und 30 Euro aufgelegt werden soll, durch die Einführung eines „Mobilitätspasses“ – das ist die Umschreibung für eine neue Nahverkehrsabgabe.

Ganz neu ist die Idee einer Jahreskarte zum Preis von täglich einem Euro nicht. Die Landesregierung hatte im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU im Mai 2021 („Jetzt für Morgen“) Pass und Abgabe beschrieben. Die Kommunen sollen sie mit Hilfe eines neuen Gesetzes erheben können; noch gibt die neue Norm nicht. Stuttgart hatte sich im Oktober 2021 zusammen mit den VVS-Landkreisen als Pionierregion für den Pass beworben. OB Frank Nopper (CDU) hatte damit auf einen Dringlichkeitsantrag der Grünen, reagiert, für den eine Mehrheit absehbar war.

Auch Firmen sollen zahlen

Bei wem soll ein Obolus für das neue Ticket erhoben werden? Die Initiatoren des Begehrens, neben Pantisano der Linke-Kreisvorstand Dennis Klora und die Psychologin Anja Wiggenhauser, legten sich am Mittwoch nicht fest. Man wolle „offen lassen, wer wie viel bezahlt“, so Pantisano. Unternehmen müssten aber dabei sein. Daimler zum Beispiel gewähre seinen Beschäftigten 16 Prozent Rabatt auf Neuwagen, der Beitrag zum VVS-Firmenticket sei weit geringer, so Pantisano. Im Stadtgebiet würden das 365-Euro-Ticket und die Freifahrt für bestimmte Gruppen angeblich ein Loch von 100 Millionen Euro beim VVS reißen. Die neue Abgabe soll 80 Millionen Euro erbringen, sozial gestaffelte Gebühren für das Anwohnerparken und die Streichung der Straßenbenutzungsgebühr für die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) sollen je zehn Millionen Euro einspielen. Billigere Tickets sollen nicht „auf Kosten der Bus- und Bahnfahrer gehen“, betonte Dennis Klora.

Aktion läuft bis März 2023

Bei der Unterschriftensammlung wollen die Initiatoren einen langen Atem beweisen. Sie setzen auf den Aufbau von Sammelstellen, die sich aktuell zum Beispiel in der Geschäftsstelle der Linken (Falkertstraße 58), des Linksbündnisses im Rathaus, bei der Mahnwache gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 und Ladengeschäften finden (www.365-stuttgart.de). Die 20 000 Unterzeichner wolle man bis zum März 2023 beisammen haben, so Klora.

Vorbild für Die Linke ist die gleiche und bereits 2020 gelaufene Aktion in Nürnberg, auch dort habe man sich „wissenschaftlichen Input geholt“, so Wiggenhauser, zudem bei Mehr Demokratie e.V., so Pantisano. Der Nürnberger Stadtrat hatte dem Begehren entsprochen, das 365-Euro-Ticket sollte 2023 kommen. Im Juli 2022 nahmen die Bürgervertreter ihr Versprechen aber wegen der Kosten (23,6 Millionen Euro) zurück. Dagegen wird in der zweitgrößten Stadt Bayerns nun geklagt.

Gemeinderat entscheidet

Ob das Begehren in Stuttgart zulässig ist? Anders als in Bayern steht in der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg, dass Bürgerentscheide über „Tarife und Entgelte“ nicht möglich sind. Sobald die 20 000 Unterschriften eingereicht sind, würde die Stadtverwaltung die Zulässigkeit prüfen, der Gemeinderat entscheidet letztlich darüber. Er kann die Forderung ablehnen, erfüllen oder dazu einen Bürgerentscheid abhalten. Bis dahin, so Pantisano, hoffe man auf eine Nachfolgeregelung für das Ende August auslaufende 9-Euro-Ticket. Bei der Finanzierung sei die Bundesregierung am Zug.