In Mailand stehen seit 2014 die begrünten Zwillingstürme, die den Namen Bosco Verticale tragen. Könnte das auch eine Idee für Leinfelden-Echterdingen sein? Foto: Mauritius/Federico Rostagno

Eine Fabrik mit Gemüsewiese auf dem Dach; ein Quartier, das seine Energie selbst erzeugt; Häuser wie aus einem Science-Fiction-Roman: Wo sich heute noch Äcker erstrecken, soll Wegweisendes in Beton gegossen werden.

Leinfelden-Echterdingen - Der Reflex ist ein natürlicher, geschärft durch jahrzehntelange, eintönige Nachverdichtung und, zugegeben, ziemlich schlechten Erfahrungen, von denen der Bau der Landesmesse nur die Spitze ist. Da wird hier ein mehrstöckiger Betonwürfel in die Landschaft gesetzt oder gleich ein ganzes Quartier aus den immer gleich öden Klötzen, dort ein Proforma-Park angelegt, um die grüne Seele zu besänftigen, oder ein kleiner Spielplatz für Kinder, die dort nie spielen werden. Am Ende ist wieder ein Stück Fildererde versiegelt, mehr Menschen stecken in noch längeren Staus, wird die Natur weiter zurückgedrängt.

Also nein, die Äcker zwischen Leinfelden und Echterdingen sollten niemals ein Betätigungsfeld für Architekten werden, und als vor einem halben Jahr die Idee einer Neuen Mitte zwischen den Stadtteilen als Ausfluss der Filderstudie die Runde machte, war das Echo vehement und eindeutig: Das wird nicht passieren.

Ein Füllhorn an Visionen für einen Acker zwischen den Stadtteilen

Das, freilich, war bevor das Degerlocher Büro von Werner Sobek ein Füllhorn an Visionen über der Gegend ausgeschüttet hat. Sobek ist einer der treibenden Kräfte hinter der Internationalen Bauausstellung 2027 in der Region Stuttgart, und Leinfelden-Echterdingen wird sich aller Voraussicht nach mit einem Projekt daran beteiligen. Dieses soll eben genau dort entstehen, wo die S-Bahn den einen Ort verlässt und in Richtung des anderen durchs Grün rattert. Und entsprechend hat sich auch der Name geändert. Aus der Neuen Mitte ist inzwischen die Grüne Mitte geworden.

Noch befinden sich die Überlegungen in einem frühen Stadium, aber öde Betonklötze sollen dort eben nicht entstehen. Was also dann? Die Gebäude selbst etwa sollen nachhaltig sein. Die Hälfte der Energie, die ein Haus im Laufe seines Lebens benötigt, wird beim Bau selbst vergeudet, zum Beispiel in Form von fußdicken Wärmeisolierungen oder durch Lastwagen-Kolonnen, die von irgendwoher teure, aus einer Mine herausgekratzte Metalle herankarren. Das muss nicht sein. Stattdessen sollen die Gebäude ihre Energie selbst produzieren. In 30 Jahren, falls sie anders genutzt werden sollen, soll das möglich sein, ohne sie abreißen zu müssen. Schon heute müssen sie also so flexibel entworfen werden, dass künftige Nutzungen möglich sind. Das gleiche Prinzip soll im Grunde für das Gebiet als Ganzes gelten.

Auch die Mobilität ließe sich vollkommen neu denken

Grüner soll das Quartier sein, aber nicht durch ein paar gepflanzte Bäume am Straßenrand. Nein, die Gebäude selbst könnten grün sein, auf Vorsprüngen etwa oder auf dem Dach, wo die Pflanzen auch noch isolierend wirkend würden. Und warum nicht auf dem Dach einer Fabrikhalle einen neuen Acker anlegen, wo Landwirte, die in einigen Jahrzehnten vielleicht keinen Job mehr haben, Schulkindern erklären, wo das Essen herkommt?

Ebenso visionär ließe sich das Thema Mobilität denken. Klar, Straßen gehören dazu. Aber was wäre, wenn in der Mitte der Grünen Mitte die gesamte Bandbreite von Carsharing und Mietfahrrädern verortet werden könnte, sodass niemand mehr ein eigenes Auto braucht?

Ideen ließen sich noch weitere finden, wenn man sich erst einmal vom Primat der Rendite entfernt. Genau darüber will die Stadt mit den Bürgern ins Gespräch kommen. Auch das soll Teil des IBA-Projekts sein, statt die Vision für den Acker zwischen Leinfelden und Echterdingen nur von oben her durchzudrücken. Nach der Sommerpause soll es konkret werden. Dann soll das Projekt im Gemeinderat vorgestellt werden.