Bereits in vier Jahren soll am Rande von Echterdingen ein Wohngebiet stehen, das nach 15 Jahren klimaneutral ist. Am Rande des heutigen Ackers erklärt Jan Hofer, Intendant der Internationalen Bauausstellung 2027, welche Bautricks dabei zählen.
Bevor der Mann, der gerade die Wintersaat auf dem Feld kontrolliert hat, wieder ins Auto steigt, ruft er: „Wollt ihr jetzt anfangen? Habe ich umsonst eingesät?“ Andreas Hofer und Benjamin Irschik lachen. Schlecht wäre es nicht, wenn sie jetzt Ja sagen könnten. Bereits in vier Jahren soll es hier komplett anders aussehen. 2024 soll es auf dem Acker am Rande von Echterdingen losgehen mit dem Zukunftsprojekt.
Die Zukunft ist ein kleines Quartier, wie es in dieser Ausgestaltung einmalig sein dürfte. Auf 1,9 Hektar westlich der Goldäckerstraße soll ein Wohngebiet für 400 Menschen hochgezogen werden, das nach 15 Jahren klimaneutral ist. Inklusive Bau. Dafür sollen unter anderem 50 000 Bäume gepflanzt werden. Wo, ist noch unklar. Seit diesem Sommer ist das Projekt namens Käpsele offizielles Projekt der Internationalen Bauausstellung 2027 in der Region Stuttgart (IBA’27). Bedeutet: 2027 muss hier alles fertig sein. Ist das überhaupt zu schaffen?
Zusammen mit Werner Sobek geplant
„Die IBA ist per Definition ein optimistisches Projekt“, antwortet Andreas Hofer, der Intendant, am Feldesrand auf den Fildern. Das gezittert wird, „das gilt für jedes größere Projekt aktuell“. Inflation, steigende Baupreise, Fachkräftemangel – das schlägt knallhart durch. „Wir tun alles dafür, dass es gebaut wird“, sagt Benjamin Irschik von der Stadt Leinfelden-Echterdingen. An dem Wohngebiet tüftele man seit 2019, zusammen mit dem Stuttgarter Bauingenieur und Architekten Werner Sobek und dem IBA-Team. Alles sei gut gestartet, nun sei man in eine schwierige Phase gerutscht, so Irschik. Es wird sich nun sehr schnell weisen, welche der hehren Ziele am Ende zu halten sind.
Dazu gehört, dass die Hälfte der Wohnungen gefördert oder preisgünstig sein soll. Gewisse Abstriche fände Hofer nicht grundsätzlich schlimm, wie er sagt. „Das macht das Projekt nicht schlechter.“ Für ihn wäre das Käpsele trotzdem ein Beweis, dass nachhaltiges Bauen und Bezahlbarkeit kein Widerspruch sind, sagt er. „Wenn man es klug macht.“ So wie die Bautricks, die hier auf dem Acker angewendet werden sollen.
Gebäude teilen sich teure Infrastruktur
In einer Projekt-Broschüre spricht die Stadt Leinfelden-Echterdingen von einem sozial-ökologischen Bauversuch. Sie hat zuerst nach drei Investoren gesucht; sie wollen die Häuser in jeweils separaten Baufeldern hochziehen, die durch das Drumherum optisch verknüpft werden sollen. Obschon getrennt geplant, setzen alle Entwürfe auf Gebäude, die sich teure Infrastruktur wie Treppenhäuser und Aufzüge teilen, also verschachtelt sind. Auch effiziente Laubengänge sind überall dabei. Eine Tiefgarage gibt es nicht. Aus ökologischen und aus ökonomischen Gründen. „Sie macht 40 Prozent der CO2-Emissionen eines Bauprojekts aus“, sagt Andreas Hofer. „Das kriegen Sie nie kompensiert.“ Geplant ist eine oberirdische Quartiersgarage. Unterkellert wird weitgehend nicht.
Um die ökologischen Auswirkungen des Wohngebiets so gering wie möglich zu halten, soll mit Holz und Recyclingbeton gebaut werden. Auch der Filderlehm, den man für die Häuser abbaggern müsse, kann direkt verbaut werden. Zur Dämmung sind Materialien wie Stroh und Altkleider vorgesehen. Die Wohnungen selbst sollen zeitlos sein. „Wir bauen hier für die nächsten 200 Jahre“, sagt Andreas Hofer. Er ist überzeugt, Bauen der Zukunft heißt, „die Immobilien von der Lebenswelt zu trennen“.
Noch nicht festgezurrt ist, wie das Käpsele mit Energie versorgt wird. Sicher sei, dass die Dachflächen für Solarmodule bestmöglich genutzt werden sollen, sagt Irschik. Geheizt werden soll mit einem Wärmenetz, zu klären sei, ob auch das angrenzende Quartier und das Schulzentrum einbezogen werden.